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Bibel der Toten

Bibel der Toten

Titel: Bibel der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Knox
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Dann sagte er: »Es gibt noch eine wichtige Erkenntnis.«
    Julia hatte bereits geahnt, dass da noch mehr war. Mit einem Gefühl schleichender Angst fragte sie: »Ja, und die wäre?«
    »Ursprünglich war ich geneigt, diese Kreuzungsgeschichte als pure Spekulation abzutun. Nichts weiter als eine abstruse Idee. Aber dann ist mein Kollege gestern auf etwas Interessantes gestoßen.« Sein Lächeln war fahl. »Allem Anschein nach hat man in den zwanziger Jahren tatsächliche ernsthafte Versuche unternommen, Menschen mit Tieren zu kreuzen, oder genauer: Menschen mit Primaten. Und Professor Quoinelles, der Großvater des Ermordeten, war maßgeblich daran beteiligt. Er leitete das Projekt sogar.«
    Hinter Rouvier flog ein Schwarm schmutziger Großstadttauben auf, laut flatternd, als wollten sie dieser Enthüllung Beifall spenden.
    »Weshalb um alles in der Welt sollte jemand so etwas tun?«
    »Für militärische Zwecke. Angeblich stand dahinter die Absicht, einen Soldaten mit dem Verstand eines Menschen und der Kraft eines wilden Tiers zu züchten. Sozusagen einen Superkiller. Man hat damals tatsächlich solche Experimente durchgeführt! Um das verstehen zu können, dürfen Sie nicht vergessen, dass damals noch andere Moralvorstellungen herrschten. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war Eugenik noch keineswegs ein Tabu. Aber dennoch, die Vorstellung, wie weit sie damals gegangen sind – nach heutigen Maßstäben ist das einfach unvorstellbar, absolut widerwärtig. Sie verwendeten für ihre Experimente Affen und Frauen aus den französischen Kolonien. Sie nahmen einfach afrikanische Frauen und versuchten, sie mit dem Sperma von Affen zu befruchten. Das ist Fakt, zweifelsfrei erwiesen.«
    »Und die französische Armee, die französische Regierung hat so etwas befürwortet? Unglaublich.«
    »Nein, nein, nicht die Franzosen. Entschuldigen Sie bitte, da habe ich mich missverständlich ausgedrückt.« Er zögerte kurz, bevor er fortfuhr: »Albert Quoinelles, Ghislains grand-père , war ein überzeugter Linker. Er hat mit dem Bolschewismus sympathisiert. Quoinelles hat diese Experimente in Stalins Auftrag durchgeführt, er wurde von Moskau dafür rekrutiert. Er hat diese Experimente für die Kommunisten gemacht.«
    Rouvier verneigte sich vor Julia. Dann drehte er sich um, überquerte die belebte Straße und steuerte auf die dunklen, maulartigen Bögen der Gare du Nord zu.

18
    S eit dem Brandanschlag war eine Stunde vergangen. Der Akku seines Handys war fast leer. Er hatte zuerst Ty angerufen, dann die Botschaft – die geschlossen war. Jetzt reichte der Strom gerade noch für ein Gespräch mit Chemda. Und er hatte keine Zeit für Nettigkeiten. Nur die brutalen Fakten. Der Brandanschlag. Sens befremdliches Angebot.
    Sie hörte ihm mit schockiertem Schweigen zu, stammelte ein paar Worte des Bedauerns über seine zerstörte Wohnung. Aber er unterbrach sie mit einer Frage.
    »Warum hast du mir erzählt, dein Großvater wäre verreist?«
    »War er doch! Er war verreist. Aber er kam früher als erwartet zurück. Das Hausmädchen hat ihm erzählt, dass du im Salon wartest … Jake … bitte …«
    Ihre Stimme wurde vom Lärm eines Tuk-Tuk übertönt.
    Jake, der nicht weit vom großen Fluss im verrammelten Eingang einer Apotheke stand, zog sich vor dem Straßenlärm weiter in den heißen tropischen Schatten zurück und drückte das Handy in Er-wartung ihrer Erklärung fester an sein Ohr.
    »Vielleicht war es dumm von mir, dich zu bitten, zu mir zu kommen. Entschuldige bitte. Ich hatte einfach Angst. Aber glaub mir, bitte glaub mir, dass ich das alles genauso wenig begreife wie du. Kannst du das verstehen, Jake? Zuerst versucht meine eigene Mutter, mir Angst zu machen, mich mit einem Fluch zu belegen, und dann kommt mein Großvater, der Mensch, vor dem ich am meisten Respekt habe … kommt und versucht mich zu verheiraten, mich einfach wie ein Stück Vieh zu verkaufen.«
    Der Zweitaktmotor eines vorbeifahrenden Tuk-Tuk röhrte mit alles übertönender Primitivität.
    »Jake, ich muss unbedingt wissen, woran ich mit dir bin. Wenn du mir nicht mehr traust, kann ich das durchaus verstehen. Aber dann müssen wir ab sofort getrennte Wege gehen. Ich komme auch allein zurecht.«
    Jake war heftig hin und her gerissen. Noch während er sich innerlich zu wappnen versuchte, spürte er, wie seine Entschlossenheit von seinen Gefühlen aufgeweicht wurde; trotz aller Unsicherheit, woran er mit ihr war, spürte er auch ein starkes

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