Bibi Blocksberg - 06 - Bibi im Orient
»Traumhaft!«
Ehrfürchtig bestaunten alle die Ketten und Kronen, das Gold und Geschmeide und die Edelsteine, die darin lagen. Wie das funkelte! Wie das glitzerte! Der Sultan wollte überglücklich mit beiden Händen in die Truhe greifen und in den Kostbarkeiten herumwühlen, da begann plötzlich der Boden zu zittern und aus der Tiefe des Brunnens ertönte ein unheimliches Rumoren.
» Allah, Allmächtiger!«, schrie der Sultan auf und warf sich auf die Erde. »Der Geist meiner Väter kommt aus dem Brunnen! Rettet den Schatz! Er gehört mir!«
Das Zittern und Rumoren wurde stärker und im nächsten Augenblick schoss mit lautem Zischen eine schwarze Fontäne aus dem Brunnenschacht. War es das, was über sie kommen sollte? War dies das unbekannte Es? Karla Kolumna fand als Erste die Fassung wieder.
» Entwarnung, liebe Freunde! Entwarnung!« Sie lachte schallend. »Das unbekannte Es, das über uns gekommen ist… ist Öl!«
» Öl?« Der Sultan tippte mit einem Finger in das dunkle Nass und roch daran. Dann verzog er angewidert das Gesicht. »Tatsächlich. Bitte nicht schon wieder Öl! Ich habe schon viel zu viel Öl. Vor allem brauche ich keine Ölquelle in meinem Palasthof. Ja, wenn es Wasser wäre, dann…«
Wasser? Ja, wenn es weiter nichts war! Da wusste Bibi doch gleich einen Super-Hexspruch: »Eene meene auf die Schnelle, sei nicht Öl, sei Wasserquelle. Hex-hex!«
Augenblicklich hörte das Öl auf zu sprudeln und stattdessen plätscherte kristallklares Wasser aus der Erde. Der alte Brunnen war zu einem wunderschönen Springbrunnen geworden, zu dem sofort einige Vögel flatterten um zu trinken und in dem Wasser ein Bad zu nehmen.
»Bravo, Kindchen! Sehr gut!«, lobte Karla Kolumna. »Es ist geradezu sensationell, wie du das wieder hingekriegt hast!«
Das fand auch der Sultan Hatschi al Nasi. Wasser in der Wüste – das war ja noch viel, viel kostbarer als der Schatz seiner Väter. Er schloss die kleine Hexe überglücklich in seine Arme und ließ überall in Stadt und Land bekannt machen, dass er zu Ehren von Bibi Blocksberg, zu Ehren des wiedergefundenenden Schatzes und zu Ehren des neuen Springbrunnens im Palast ein rauschendes Fest feiern wollte.
Es wurde ein Fest, wie es Labu-Dabu noch nicht erlebt hatte. Bibi hockte als Ehrengast neben dem Sultan auf dem Thron und Karla durfte so viele Fotos machen, wie sie nur wollte. Als am nächsten Tag der Sultan seine Gäste aus Neustadt verabschiedete, spendierte Bibi ihrem Flaschi zum Andenken eine größere und schönere Flasche, in der er mehr Platz zum Ruhen hatte. Der Bürgermeister verstaute sorgfältig die Perlenkette für seine Frau und Karla Kolumna knipste ein allerallerletztes Foto. Dann war der Besuch der Abordnung aus Neustadt beendet.
Als einige Tage später Bernhard Blocksberg wie immer beim Frühstück seine Zeitung las, stürzte er sich als Erstes auf die Reportage von Karla Kolumna über des Bürgermeisters Reise in das ferne LabuDabu.
» Ich denke, unser Stadtoberhaupt wollte eine Pipeline organisieren, damit das Benzin billiger wird?«, nörgelte er. »Aber was muss ich lesen? Eine neue Schule wird gebaut, ein neuer Sportplatz und ein Schwimmbad mit einer 50-Meter-Rutsche. So ein Firlefanz!«
» Aber Schätzchen!«, meinte seine Frau entrüstet. »Das ist doch für unsere Jugend! Ich finde es toll, dass er das alles erreicht hat. Man sollte es kaum für möglich halten.«
» Doch, doch, Mami, es stimmt!«, sagte Bibi mit vollem Mund. »Das alles hat der Herr Bürgermeister für uns herausgeholt. Er ist eben sehr geschickt im Verhandeln. Ein richtiges Vorbild ist er.«
» Vorbild?« Bernhard Blocksberg verschluckte sich fast an seinem Kaffee. »Ich wüsste nicht, was an dem Mann vorbildlich ist!«
» Na ja«, meinte Bibi und blinzelte ihrer Mutter zu, »er fährt zum Beispiel jetzt jeden Morgen mit dem Fahrrad ins Rathaus. Das ist doch vorbildlich, oder? Deshalb habe ich dir eben beim Zeitungholen dein Fahrrad rausgestellt, Papi. Das ist nämlich viel billiger und gesünder als das Auto. Mami sagt das auch. Wenn alle ihr Auto öfters mal stehen lassen würden, dann brauchten wir auch keine Pipelines.«
Ja, so einfach war das für Bibi. Und sie hatte Recht. Bernhard Blocksberg maulte zwar noch ein bisschen, aber dann freundete er sich mit seinem alten Drahtesel schnell wieder an und fuhr tatsächlich fast jeden Tag mit dem Fahrrad in sein Büro. Wie der dicke Bürgermeister von Neustadt.
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