Bienensterben: Roman (German Edition)
Susie. Sie wollte ihre Mum treffen, die ist dort in der Psychiatrie.
Im Bus war Susie tierisch nervös. Sie hatte ihre Oma gefragt, ob sie fahren darf, aber ihre Oma hatte Nein gesagt und Susie verboten, je wieder ein Wort darüber zu verlieren, aber das fanden wir alle nicht fair. Sie kann Susie ja nicht von ihrem eigenen Fleisch und Blut fernhalten, und sie hat ihre Mutter nicht gesehen, seit sie drei war. Aber sie hat immer ein Bild von ihr dabei, im Portemonnaie.
Susie wollte nicht, dass wir mitkommen, sie wollte allein dahin, deshalb haben wir in der Stadt auf sie gewartet.
Wir haben versucht, in einen Pub reinzukommen und was zu essen zu bestellen, aber der Barmann hat uns nicht bedient. Kim ist total ausgerastet. Wir wollten bloß ein Sandwich, vielleicht auch ein Bier, falls er sich eins aus den Rippen leiern ließ, aber Fehlanzeige. Kim hat ihn »Schwanzgesicht« genannt. »Macht euch hier raus und kauft euch ein Eis«, hat sich irgendein Typ an der Bar eingemischt, und da ist Kim dann endgültig ausgetickt. »Los komm, sag das noch mal, du Wichser«, hat sie gebrüllt und wollte sich allen Ernstes mit einem erwachsenen Mann anlegen, ihn vor die Tür zerren und vermöbeln, und der Barkeeper ist dann volle Kanne dazwischen. »Ey, Zorro, lass mal gut sein. Und raus mit dir!« Der Typ an der Theke hat sich halb schiefgelacht und fand, Kim ist der lustigste Mensch, dem er je begegnet ist, und ganz ehrlich, sie hatte sich ja schon ein bisschen zum Obst gemacht.
Wir haben dann einen Getränkeladen gefunden, so eine abgeranzte kleine Bude, wo es vom Schinken bis zum Kinderspielzeug alles gab. Lorna hatte einen gefälschten Ausweis dabei und außerdem hat sie bar bezahlt, deshalb hat der Besitzer ein Auge zugedrückt und uns eine Flasche Wodka verkauft. Dann haben wir noch sechs Dosen Cola mitgenommen und sind damit ins nächste Klo, haben sie halb ausgekippt und mit Alk aufgefüllt.
Es hätte echt lustig werden können. Hätte. Kim nimmt jetzt seit vierzehn Tagen oder so ihre Medis nicht mehr, sie war ein Albtraum. Die hat echt ’nen Schaden. Tickt beim kleinsten Ding voll aus. Lorna und sie waren wie Hund und Katze, nur am Rumkeifen. Lorna meinte, sie kommt damit nicht klar. Außerdem hat sie dauernd davon geredet, dass sie bi ist, und Kim damit in den Wahnsinn getrieben. Einmal dachte ich, jetzt fliegen wir gleich aus dem Bus raus, vor allem, als Kim gebrüllt hat: »Wer Fotzen leckt, ist ja wohl hundertpro lesbisch!«
Lorna hat sich geschämt. »So einfach ist das nicht«, hat sie gesagt, und Kim dann: »Erzähl doch keinen Scheiß.«
»Über Sexualität, Politik und Religion diskutiert ein höflicher Mensch nicht.«
»Religion«, hat Kim gesagt. »Dass ich nicht lache. Die Bibel ist doch ein Haufen Bullshit.«
Wahrscheinlich ist es schon irgendwie schräg, wenn sich zwei über Fotzen und das Wort Gottes streiten, aber ich kenn es nicht anders, als dass sich die Leute gegenseitig zerfleischen. Susie ist dann irgendwann dazwischen, sie sollten beide die Schnauze halten. Wahrscheinlich wollte sie nicht, dass der ganze Bus denkt, sie wäre auch lesbisch. Ich hab’s nicht gedacht, das weiß ich.
Wir hatten damit gerechnet, dass wir ewig auf Susie warten müssen, aber nach einer Stunde war sie schon wieder da und sah irgendwie total leer aus, an ihrem Gesicht konnte man überhaupt nicht ablesen, wie es gelaufen war. Irgendwann haben wir gefragt, wie es ihrer Mum geht, aber sie meinte nur, sie will nicht drüber reden. Lorna hat vorgeschlagen, dass wir uns irgendwo was zu essen holen. Wir hatten Hunger, und der Bus zurück nach Glasgow fuhr erst in ein paar Stunden, aber Kim meinte, Essen gehört sich jetzt nicht. Lorna hat gesagt, sie soll sich ins Knie ficken, und ist ab ins nächste Café. Ich bin bei Kim geblieben, aber eigentlich wäre ich lieber mit Lorna mit. Susie hat nur dagehockt und kein Wort gesagt, aber nach zehn Minuten oder so hat sie so komisch geschnauft, und dann hat sie angefangen zu weinen. Kim hat Susie ganz fest umarmt und sie lange festgehalten. Irgendwas Schlimmes war passiert, so viel hatten wir mitgeschnitten. Zuerst dachte ich, ihre Mum wär gestorben, war sie aber nicht. Wie sich dann rausgestellt hat, war sie gar nicht in der Psychiatrie. Ivy Murphy, den Namen hatten sie dort nie gehört, und als Susie dann wieder nach Hause zu ihrer Oma ist, musste die ihr die Wahrheit sagen. Ihre Mum wohnt in Croydon und hat eine neue Familie. Sie hat zwei Jungs, der eine heißt Noah und der
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