Bienensterben: Roman (German Edition)
bisschen, weil, die Wohnung ist voll hübsch. Er hat ein cooles großes Erkerfenster zur Straße raus und einen echt schönen Kamin mit massig Fotos auf dem Sims. Am liebsten würd ich mir die Bilder genauer angucken, aber das fänd er bestimmt nicht so toll, deshalb bleib ich auf Abstand.
»Du wirst bei mir putzen«, sagt er. »Einmal in der Woche, aber nicht angezogen wie eine kleine Nutte. Ich hab schließlich Nachbarn.«
»Putz deine Scheißbude doch selber«, sag ich und schmeiß ihm den Eimer vor die Füße. Das findet er lustig und gibt mir den Eimer zurück.
»Da, nimm. Fünf Stunden die Woche, jeden Samstagmorgen. Hundert Pfund.«
»Fünf Stunden. Mehr nicht!«, sage ich.
»Du bist in der Austauschzeit«, sagt er, wedelt dabei aber mit der Hand, als wäre er unsicher, ob er das Richtige gesagt hat, weil, Englisch ist ja seine zweite Sprache und so.
»Was soll das heißen, ›Austauschzeit‹?« Ich weiß, dass er was verwechselt, und will es ihm unter die Nase reiben, damit er sich schämt.
»Du weißt schon, ich teste dich.«
»Du meinst Probezeit .«
»Wenn es bedeutet, dass ich dich rausschmeiße, wenn du meine Wohnung nicht richtig putzt, dann ist das das richtige Wort.«
Dann hat er mir eine Liste in die Hand gedrückt und weg war er. Eine ziemlich lange Liste übrigens. Ich muss seine Wäsche machen, die Betten abziehen und seine CD s und DVD s abwischen, weil, dieser Typ hat anscheinend noch nie was von Hüllen gehört, die Dinger lagen überall verstreut und es hat eine halbe Ewigkeit gedauert. Dann hab ich mir seine Fotos angeguckt. Da war er mit einem Mädchen in meinem Alter drauf. Sie sah aus wie er, deshalb wusste ich, dass es seine Tochter ist. Beim Saubermachen hab ich dann noch eine Menge andere Bilder von ihm und seiner Frau und seiner Tochter entdeckt, oder seiner mutmaßlichen Tochter. Fotos von ihm als Kleinkind waren auch dabei. Der Wahnsinn, was man aus Bildern alles rauslesen kann. Anscheinend ist er auf einem Bauernhof groß geworden, mit seinen Eltern und einem älteren Bruder, oder vielleicht war es auch ein Cousin. Im Schlafzimmer hing ein Zertifikat von der Uni, in Chemie, und er hatte eine Menge Fußballpokale und Bücher. Anscheinend liest er viel. Außerdem benutzt er kein Aftershave, sondern Sandelöl, und er trägt Kontaktlinsen, woraus ich mal schließe, dass ihm sein Aussehen wichtig ist, und Sex auch, weil, hinter dem Klo stand eine Jumbopackung Durex. Das ist so ziemlich alles, was ich beim Putzen über ihn rausgefunden hab. Seine Rechnungen hat er alle bezahlt, er hat nämlich so eine kleine Pinnwand, an die er die Quittungen hängt und wo dann auch immer meine £ 100 sein werden, in einem kleinen gelben Umschlag, auf dem vorn MISS MARNIE draufsteht.
Nelly
Während Marnie mit ihren eigenwilligen Freundinnen in Lochgilphead ist, nutze ich die Gelegenheit, um unseren Großvater Robert T. Macdonald besser kennenzulernen, in seiner Werkstatt im Barrowland, inmitten der Stände mit Fisch, Brot und dem ganzen Tand, den man auf diesem Markt erstehen kann.
Er führt uns durch sein Atelier, weich von Sägespänen und hart von Eichenholz. Er arbeitet an einem Kopfbrett. Es ist für mich und mit hübschen Schnitzereien verziert, Sternen. Ich muss es einfach bewundern.
»Wie gefällt es dir, Schätzchen?«, fragt er mit einer Vertraulichkeit, die ihm noch nicht zusteht, gegen die ich aber auch nicht viel einzuwenden habe.
»Vielen Dank, Robert«, sage ich, wobei ihn meine Dankbarkeit offenbar überrascht.
Er hat einen jungen Auszubildenden, den er herzlich begrüßt.
»Das ist Sandy«, sagt er. »Mein Lehrling.«
Ein sehr angenehmer Junge; er kam mir eigenartig bekannt vor – nicht dass ich Gelegenheit gehabt hätte, ihm irgendwelche Fragen zu stellen, denn er lief in größter Eile davon und wollte Milch holen, ein recht sinnloses Unterfangen, denn wir hatten ja noch gar keinen Tee angeboten bekommen. Gott sei es gedankt, dass Lennie noch einen Kuchen im Ofen hatte, denn mit einem Mal wurde ich der Werkstatt überdrüssig und wollte so schnell wie möglich nach Hause, doch um niemanden zu kränken, haben wir Robert T. Macdonald eingeladen, mit uns zu Abend zu essen. Er war schier überwältigt vor Dankbarkeit, und ich wusste gleich, das hatten wir richtig gemacht.
Lennie
Es dauerte ein wenig, bis er mich erkannte. Ich war schneller. Seine Augen verrieten ihn, strahlend blau. Ich sehe sie noch vor mir, hinten in dem Polizeiwagen, und die Wimperntusche, die ihm
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