Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
doch schon gesagt, dass ich nichts gesehen habe.«
Natürlich fühlte er sich ertappt, dachte der Kommissar. Er machte einen Schritt auf ihn zu. Die Hoffnung, in dem Fall weiterzukommen, spiegelte sich in seinem Gesicht wider.
»Ich war auch einmal Lehrling wie du«, hob er erneut an. Einfühlsam, aber mit der Absicht, zu verwirren.
Unbeholfen beugte Vester den Kopf tiefer hinunter zu der Kladde in seiner Hand und notierte mit vorgetäuschter Konzentration Zahlen in ein Formular. Ob das Bier darunter leidet, fragte sich Demirbilek. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Messdaten stimmten.
»In meiner Lehrzeit auf der Polizeischule habe ich gelernt, zu erkennen, wenn jemand lügt.« Demirbilek wartete. Als der junge Mann Anstalten machte, sich zu verziehen, wurde ihm sein entgegenkommendes Verhalten zu mühselig. »Pass auf. Ich kann dich auch auf das Präsidium mitnehmen, wenn du mir nicht sofort sagst, was du weißt! Du bist ein verdammt schlechter Lügner. Um das zu erkennen, muss man keine Polizeischule besucht haben.«
Der Kommissar wunderte sich keinesfalls über die Wirkung seiner Drohung. Sie funktionierte relativ häufig.
»Ömer war komisch drauf«, gab der Lehrling kleinlaut zu.
Warum denn nicht gleich, seufzte der Kommissar in Gedanken erleichtert auf.
»Wie meinst du das?«
»Der hatte nur seine Filmerei im Kopf.«
»Mit was hat er gefilmt?«
»Mit so einer kleinen Videokamera. Mir hat er erzählt, dass er eine Fake-Doku macht.«
Demirbilek sah ihn fragend an. Er konnte sich denken, was Vester meinte, wollte ihn aber weiterreden lassen. Gleichzeitig war er über die Bestätigung seiner Vermutung froh. Allem Anschein nach hatte Özkan sich auf Bayraks Auftrag hin nicht nur bei den Angestellten umgehört, sondern auch gefilmt.
»So tun, als wäre alles echt«, erklärte Vester. »Aber die Aufnahmen waren erstunken und erlogen. Ich musste als Schatten im Braukeller herumlaufen. So tun, als würde ich herumspionieren. Völlig hirnrissig.«
Erneut setzte der Kommissar ein fragendes Gesicht auf. Er bekam langsam Übung darin.
»Wenn wir Nachtschicht hatten, bin ich durch die Halle gelaufen, er ist mit der Kamera hinterher. So Zeug«, gab Vester als Erklärung an.
»So Zeug. In Ordnung. Was hat er noch gefilmt?«
»Ja, alles. Meistens versteckt. Manchmal hat er die Videokamera einfach nur auf ein Bierfass gelegt und laufen lassen. Minutenlang.«
»Verstehe. Von was handelte die Fake-Doku? Es musste ja mit Bier zu tun haben?«
»Ich weiß es nicht, wirklich.«
»Jetzt komm, Jochen! Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit«, sagte der Kommissar erzürnt und lauter als notwendig.
Der Lehrling erschrak. Demirbilek geduldete sich, doch er redete nicht weiter.
»Hast du die Nachbarn alarmiert?«, fragte er ins Blaue hinein.
»Nein! Das habe ich nicht! Musste ich doch unterschreiben.«
Dieses Mal glaubte ihm der Kommissar. Er hörte, wie in seinem Rücken Cengiz’ Stimme lauter wurde. Offenbar kam sie zum Ende ihres Gespräches mit dem Braumeister.
»Noch etwas. Hat Ömer vielleicht etwas hiergelassen? Hatte er einen Spind oder einen anderen Platz für seine Sachen?«
Der Lehrling dachte wieder einen Augenblick zu lange nach.
»Mein Dienstwagen steht vor der Einfahrt!«, zischte Demirbilek. Er hatte genug von dem zähen Verhör.
»Schon gut«, lenkte der Lehrling ein. »Kommen Sie mit.«
Gerade rechtzeitig, bevor der Braumeister zurückkehrte, öffnete Vester die Schublade eines Aluschreibtisches und zeigte dem Kommissar eine Plastiktüte.
»Das ist alles, was Ömer dagelassen hat.«
Demirbilek blickte hinein und schüttelte den Kopf. Seine leise Hoffnung, Speicherkarten oder eine Festplatte zu finden, wurde schwer enttäuscht. Zwei Päckchen Aufgussbeutel Schwarztee und eine angebrochene Packung Würfelzucker lagen darin.
39
A ls Demirbilek und Cengiz ins Büro zurückkamen, bemerkte Vierkant sie erst nicht. Sie hatte Stöpsel im Ohr und fläzte auf einem Stuhl vor dem weit geöffneten Fenster.
»Wo ist es?«, fragte Demirbilek, nachdem er ihr die beiden Hörer gleichzeitig aus den Ohren gezogen hatte.
»Entschuldigen Sie …«, haspelte sie und wollte weitere Erklärungen abgeben.
»Schon gut. Wo ist das Paket?«, fragte Demirbilek noch mal.
»Wir hatten Glück, es lag noch beim Zoll …«
Demirbilek wollte ihr zwar die Freude über ihren Erfolg nicht nehmen, doch das Strahlen in ihren Augen war ihm zu viel. Außerdem war er nicht in der Verfassung, detailreiche Berichte zu
Weitere Kostenlose Bücher