Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
informiert worden, dass die Traditionsbrauerei aus ihrem Stadtviertel verschwinden sollte. Alle wussten auch, wo die neue Heimat der Brauerei war.
Natürlich steckte Bayrak dahinter, sagte sich Demirbilek. Wer sonst als der Eigentümer war in der Lage, sein Unternehmen abzubauen und es rund zweitausend Kilometer entfernt in Istanbul wieder aufzubauen?
38
D er Sonntag wird immer abstruser, ärgerte sich Demirbilek und ließ mit Cengiz die Demonstration hinter sich. Sie gingen den Holzzaun am Brauereigelände entlang, bis sie eine geeignete Stelle fanden. Leipold hätte er dazu überreden müssen, bei Cengiz war das nicht notwendig. Er kletterte über den Zaun, sie folgte ebenso behende. Das Gelände war menschenleer. Das Geschrei der Leute vor dem Einfahrtstor, die sie beim Überqueren des Vorplatzes entdeckten, ließen sie zwangsläufig über sich ergehen.
Sie gingen weiter, bis sie, von der Straße aus nicht einsehbar, zwei Brauereimitarbeiter entdeckten. Die beiden hockten auf leeren Bierkästen, offenbar machten sie gerade Pause. Das Rolltor zur Halle war geöffnet. Der ältere der beiden Männer stellte sich als Braumeister vor. Franz Gehrke war drahtig, mit klug leuchtenden Augen, Sicherheitsschuhe mit Stahlkappe lugten unter dem grauen Kittel hervor.
»So was habe ich noch nicht erlebt«, erklärte er mit einem Kopfschütteln. »Das halbe Viertel ist auf den Beinen. Sind Sie von der Polizei?«
Demirbilek stellte Cengiz und sich vor und fragte: »Warum haben Sie nicht selbst die Polizei angerufen?«
»Warum?«, wiederholte Gehrke verständnislos. »Weil ich am liebsten mit den Nachbarn protestiert hätte. Deshalb.«
»Dann stimmen die Gerüchte?«
»Ich darf nichts sagen. Hab was unterschreiben müssen. Alle von der Belegschaft. Jaja. So geht große Geschäftspolitik«, meinte er geheimnisvoll.
Demirbilek nickte halbherzig. Er fragte sich, was das hanebüchene Unterfangen sollte. In der Türkei gab es genug Brauereien. Für die Herstellung von Efes, das in der ganzen Republik getrunken wurde, zeichnete seines Wissens nach sogar ein bayerischer Braumeister verantwortlich.
»Wir sind wegen des toten Studenten gekommen, der hier gearbeitet hat«, erklärte Cengiz.
»Nicht wegen Manuela?«
»Nein. Haben die Kollegen Sie ihretwegen nicht verhört?«
»Doch, doch. Alle, die hier arbeiten, oder?« Gehrke drehte den Kopf dem jungen Mann mit blonden Haaren zu. Er nippte an einer Colaflasche, war um die achtzehn Jahre alt und trug wie sein Meister einen Kittel, darunter eine Jeans.
»Ja, klar, mehrfach sogar«, bestätigte er.
»Uns interessiert, ob der Student im Betrieb Videoaufnahmen gemacht hat«, fuhr Cengiz mit der Befragung fort.
Der Braumeister zuckte mit den Schultern. »Jochen, weißt du etwas?«
Demirbilek entging nicht ein kurzes Zögern in den Gesichtszügen des jungen Mannes, bevor die Antwort kam, die er erwartete.
»Keine Ahnung. Ich habe nichts gesehen«, behauptete er und stand auf. »Ich mache dann mal weiter.«
»Kontrollier die Maische«, beauftragte der Braumeister ihn.
Während er weitere Anweisungen gab, tauschte Demirbilek mit Cengiz einen Blick aus. Sie verstand, dass sie Gehrke beschäftigen sollte.
»Ihr Lehrling?«, fragte sie sogleich.
»Jochen Vester«, meinte Gehrke stolz. »Mein einziger und mein bester Lehrling.« Beim Vorbeigehen klopfte er ihm freundschaftlich auf die Schulter.
»Hatten Sie mit Ömer Özkan denn zu tun?«, fragte Cengiz ohne Pause weiter.
»Ja, natürlich. Ein ganz ruhiger Junge. Der war als Aushilfe bei uns. Aber Bier hat den nicht interessiert.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Der hat keinen Tropfen angerührt. War ja vom Islam. Stellen Sie sich das mal vor, arbeitet in einer Brauerei und rührt kein Bier an. Ich habe es oft genug probiert, ihm unser Produkt schmackhaft zu machen. Seit wir auf naturtrüb umgestellt haben, schmeckt es hervorragend.« Er schüttelte den Kopf.
Demirbilek nutzte die Gelegenheit und bat darum, auf die Toilette gehen zu dürfen. Zuvorkommend wies ihm Gehrke den Weg.
Während sich Cengiz weiter mit ihm unterhielt, verschwand der Kommissar in die Halle und entdeckte den Lehrling beim Kontrollieren einer Füllmengenanzeige. Er ging schnurstracks auf ihn zu.
»Jetzt kannst du reden. Der Meister erfährt nichts. Versprochen«, sagte Demirbilek mit freundlichem Lächeln. Der Geruch der Maische und des Hopfens bereiteten ihm Probleme. Sein Magen begann zu rebellieren.
Teilnahmslos blickte ihn der Lehrling an. »Hab
Weitere Kostenlose Bücher