Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
wirbelten darin. Demirbilek hatte sich auf dem Dachboden selbst vergewissert und war die Holzleiter zum Einstieg hinaufgeklettert. Zehn Sprossen. Kein Problem, sicherlich auch nicht für den Tanzbären, wie ihn Leipold getauft hatte. Gut, mutmaßte Demirbilek, Bayrak war die Holzleiter hochgestiegen, hatte seinen Kopf durch die Einstiegsluke gesteckt und in das dunkle Nichts gesehen. Die Taschenlampe, die er bei sich hatte, lag neben der Leiter. Im Silo war es stockfinster. Es war absolut nichts erkennen. Ein dunkles, unendliches Nichts. Nur der Geruch von Gerste ließ erahnen, was sich in dem Holzsilo befand. Gut, mutmaßte Demirbilek weiter, Bayrak hatte in das Nichts gesehen. Aber wie, in Allahs Namen, war er auf die Idee gekommen, in das Silo hineinzusteigen?
Vom Braumeister hatte Leipold bislang nur erfahren, dass etwas mit der Zufuhr der Gerste nicht gestimmt hatte. Er hatte sich gewundert, da die routinemäßigen Putz- und Wartungsarbeiten vor kurzem durchgeführt worden waren. Keine angenehme Tätigkeit, wie er aus seiner Zeit als junger Auszubildender zu erzählen wusste. Dass Frischlinge für die Arbeit herangezogen wurden, lag auf der Hand, ebenso, dass die angehenden Braumeister einen ordentlichen Schrecken eingejagt bekamen, wenn sie in den verliesähnlichen Raum eingesperrt wurden. Das konnte von ein paar Minuten bis zu mehreren Stunden dauern. Je nachdem, wie sie sich gegenüber ihrem Lehrmeister verhalten hatten. Brauer galten durch die jahrelange Arbeit in Bierkellern als wortkarg, konnten aber auch grobschlächtig zu Werke gehen.
Innen im Silo war keine Leiter, hatte Gehrke weiterhin erzählt; es gab in dem Holztrichter keinen Halt, man rutschte auf den Holzdielen unweigerlich nach unten. Er selbst hatte sich damals als Pimpf vor Angst beinahe in die Hosen gemacht, gestand der Braumeister. Jeder Atemzug bescherte den Lungen statt des ersehnten Sauerstoffes den unsichtbar in der Luft tänzelnden Gerstenstaub. Bayrak starb keinen leichten Tod, vermutete Demirbilek nach Gehrkes Ausführungen.
»Haben Sie eine Erklärung, was Herr Bayrak in dem Gerstensilo wollte?«, fragte Demirbilek Frau Zeil.
Sie schien weit weniger schockiert zu sein über den Tod ihres neuen Arbeitgebers als der Braumeister. Ungerührt blickte sie auf das Display ihres Mobiltelefons. Ihre Augen überflogen eine Nachricht. Demirbilek hätte gerne gewusst, was sie derart in den Bann zog.
»Frau Zeil«, wiederholte Demirbilek. »Haben Sie eine Erklärung …«
»Die genaue Bezeichnung ist Gerstenmalzsilo. Kommen Sie.«
47
D as Tempo, das die elegante Dame vorlegte, war beachtlich. Der Sonderdezernatsleiter folgte ihr über den Hof zum Brauhaus. Von dort führte sie ihn die Treppenstufen hinab in den unterirdischen Bereich der Brauerei. Die Kühle des Kellers ließ Demirbilek frösteln. Als sie an der Abfüllanlage vorbeikamen, deutete Zeil auf die Maschine. Er entdeckte an verschiedenen Stellen Aufkleber. Zeil hielt sich nicht auf, sie ging mit den klackenden Stöckelschuhen den feuchten Kellergang weiter und öffnete die Eisentür zum Gärkeller. Demirbilek warf einen Blick hinein. Auch auf den metallenen Gärbottichen zeichneten sich Aufkleber ab. Der weitere Weg führte sie an der monströs wirkenden Eismaschine vorbei zur Filtrationsanlage, die offenbar seit längerem nicht mehr in Betrieb war. In dem Zeitungsbericht über Manuela Weigl hatte Demirbilek gelesen, dass die Brauerei vor einigen Jahren auf naturtrübes, ungefiltertes Bier umgestellt hatte. Er untersuchte einen der Aufkleber auf der Anlage. Bayraks Firmenlogo kannte er von dessen Visitenkarte, es war mit einem roten Filzstift abgezeichnet.
»Herr Bayrak hat jede Maschine, jeden Bottich und jedes Werkzeug kontrolliert und markiert. Er war ein sehr penibler Mensch«, erklärte Zeil.
»Das hat er alles selbst gemacht?«, wunderte sich Demirbilek.
»Ja. Der neue Chef war nicht nur ein gewissenhafter Geschäftsmann. Er war auch gelernter Braumeister. Er wusste ganz genau, was er wollte.«
»Was er mitnehmen wollte, meinen Sie?«
»Ja. Nach Istanbul.«
Demirbilek blickte sich noch mal um. Tatsächlich entdeckte er zahllose Aufkleber. In verschiedenen Größen und Formen. Auf den Schläuchen der Anlage, den Zu- und Abläufen, selbst auf den Schiefertafeln, die an den Bottichen hingen.
»Sie meinen, er wollte sich vergewissern, ob das Silo in Ordnung war? Ist er deshalb hineingestiegen?«, kam er auf den eigentlichen Punkt zurück.
»Aber nein. Er war
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