Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
schaltete sie die Handykamera aus. Die Aufnahmen brachen ab.
»War das alles?«, fragte Vierkant enttäuscht.
Da hatte Cengiz schon die nächste Videodatei aufgerufen.
»Die Bilder sind rund eine halbe Stunde später aufgenommen worden.«
Die Tote aus dem Park und der Tote aus dem Brunnen waren nach wie vor quicklebendig. Die Ermittler sahen, wie Weigl Özkan und sich selbst mit der Handykamera filmte. Er hatte den zu der Zeit noch unversehrten Krug der Mingabräu in der Hand. In Feierlaune passierten sie den beleuchteten Stachus, unweit des späteren Fundorts seines Leichnams. Im Gehen schwenkte Weigl die Kamera vor ihre Gesichter. Ein Lied brummte aus Cengiz’ Computerlautsprechern, wobei er nachlallte, was sie ihm vorsang. Offenbar hatten die beiden Opfer großen Spaß. Mit einiger Mühe identifizierten die Beamten die Melodie.
Stern des Südens,
die FC -Bayern-Hymne.
Zum Höhepunkt der Gesangseinlage riss Özkan die Arme auseinander und krachte mit dem Bierkrug an eine Straßenlaterne. Der Krug zerbrach, nicht mehr als der Henkel, der später gefunden wurde, blieb in seiner Hand zurück. Damit war das Rätsel der restlichen Scherben geklärt, hakte Demirbilek ein Problem ab. Nach einer Weile entfernte sich die Handykamera von Özkan, Weigls Hand tauchte auf, wie sie zum Abschied winkte. Dann brachen die Aufnahmen ab.
»Das war es?«, meinte Vierkant enttäuscht.
»Sieht so aus«, bejahte Cengiz.
»Was hat er denn Vester gesagt?«, wollte Leipold wissen.
»Ich habe
›Schwuchtel, verpiss dich‹
verstanden«, übersetzte Cengiz und vergewisserte sich bei ihrem Chef. Er nickte.
»Danach ist er zum Wittelsbacher Brunnen gegangen und dort ersoffen?«, merkte Leipold skeptisch an.
»Kannst du dich an deinen ersten Vollrausch erinnern, Pius?«, fragte Demirbilek aus dem Hintergrund.
Leipold dachte nach, bevor er antwortete. Der Schrecken von damals lag in seinen Worten. »Das war nach meinem ersten Wiesn-Rausch. Ich war vierzehn oder fünfzehn. Vielleicht auch erst dreizehn. Irgendwie bin ich im Suff im Auer Mühlbach gelandet. Wenn der Ferdi nicht geholfen hätte, wäre ich glatt ersoffen.«
45
D ie im Anschluss anberaumte Lagebesprechung dauerte eine knappe halbe Stunde. Demirbilek widersetzte sich nicht, als Leipold darauf bestand – solange es keine offizielle Entscheidung gab –, die Ermittlungen zu leiten. Der Chef der Migra gab seinen Mitarbeiterinnen mit einem unmerklichen Nicken das Einverständnis für die Aufgaben, die Leipold zuteilte.
Cengiz erhielt zusammen mit Herkamer den Auftrag, die schwierige Beschaffung der Mobilfunkdaten von Bayraks türkischem Provider zu organisieren. Vierkant und Stern koordinierten die Fahndung nach dem Lehrling, der einen lange zuvor eingereichten Urlaub angetreten war, und intensivierten die Suche nach Florian Dietl, während Demirbilek sich einverstanden gab, Leipold zur Mingabräu zu begleiten. Zunächst weigerte sich der bayerische Kollege, als Fahrer herzuhalten, erst Demirbileks Verweis auf seine durch das Fasten angeschlagene Konzentrationsfähigkeit überzeugte ihn, besser selbst das Steuer zu übernehmen.
In der Mingabräu angekommen, eilten sie den Flur des Büroganges entlang, bis sie das Türschild mit dem Namen Karin Zeil – Assistenz der Geschäftsleitung – entdeckten. Leipold klopfte. Da er eine leise Frauenstimme vernahm, wartete er ab und wandte sich mit einem Schulterzucken Demirbilek zu, der ebenfalls mit den Schultern zuckte, dann aber ohne weiteres Zögern die Tür öffnete und eintrat.
Karin Zeil saß hinter ihrem Schreibtisch und telefonierte. Sie trug einen hellbraunen Bolero aus Strick, unter dem Lochmuster stach ein weit ausgeschnittenes, rosafarbenes T-Shirt hervor. Offenbar war sie in einem wichtigen Gespräch, denn sie versuchte mit einer entnervten Handbewegung, die beiden fremden Männer aus dem Büro zu scheuchen. Leipold wartete bei der offenen Tür, während Demirbilek an den Schreibtisch trat.
»Verreisen Sie in die Türkei?«, fragte er charmant. Zeil hatte bei ihrem Telefonat den Ort Antalya erwähnt. Offenbar erkundigte sie sich nach einem Hotel.
»Was geht Sie das an!«, zischte Zeil und legte auf.
Demirbilek hatte ein Einsehen und zeigte seinen Dienstausweis. Er deutete zu seinem Kollegen. »Das ist Kommissar Pius Leipold. Wir müssen Ihren Lehrling Jochen Vester und außerdem Süleyman Bayrak sprechen. Wissen Sie, wo wir sie finden können?«
Zeil hatte mit versteinerter Miene zugehört. »Jochen hat
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