Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
Pfeife nicht auch etwas für ihn wäre.
»Können Sie sich darauf einen Reim machen?«, fragte Kaymaz.
»Nein«, antwortete Demirbilek.
Den Rest des Weges schwiegen sie.
71
S eit sie vor einigen Jahren bei einem Urlaub in Griechenland ein Hotel gegenüber einer Taverne mit Live-Musik gebucht hatte, waren Ohrstöpsel fester Bestandteil ihres Reisegepäcks. Karin Zeil hatte nur dumpf das Poltern und Klopfen an ihrer Tür wahrgenommen. Das penetrante Rufen und Schreien des türkischen Kommissars, der beteuerte, nur mit ihr reden zu wollen, hatte sie anfangs erschreckt. Florian aber hatte ihr eingetrichtert, dass er ihnen nichts anhaben konnte. Sie musste nicht mit ihm reden, wenn sie nicht wollte. Als seine Bemühungen aufgehört hatten, setzte sie sich in den Sessel neben dem Bett und versuchte, wach zu bleiben, falls sich Florian meldete oder kam. Ob er sie nach dem Streit überhaupt jemals wieder sehen wollte, war sie sich nicht sicher. Sie ärgerte sich. Sie war schon als Kind impulsiv und hatte sich oft nicht unter Kontrolle. Vielleicht war es etwas zu überzogen gewesen, die Weinflasche über seinen Kopf zu zertrümmern, überlegte sie. Doch was hätte sie tun sollen? Es war unmöglich, ihre Wut im Zaum zu halten. Er hatte ihr ins Gesicht gelacht, als sie ihn aus einer Laune heraus fragte, warum sie nicht heirateten. Er hätte nicht lachen dürfen.
Sie stand auf und ging in das Badezimmer. Dort hatte sie für die Nacht die beiden Cremedosen bereitgestellt. Während sie sich abschminkte, ging sie im Kopf noch einmal ihre Pläne durch. Florian hatte ihr einen Ausweg gewiesen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Dann seufzte sie mit Blick auf ihr müdes Gesicht im Spiegel. Unweigerlich kam ihr die Geburt ihres ersten Kindes in den Sinn. Eine schwere Steißgeburt. Sie hatte der Frau, die Florians Kind abgetrieben hatte, Bedenkzeit bis morgen eingeräumt. Wenn sie nicht bezahlte, würde sie auf andere Weise für die Schuld büßen, die sie auf sich geladen hatte.
Demirbilek saß im Gang vor Karin Zeils Zimmer. Der Stuhl hatte Armlehnen und einen weich gepolsterten Sitz. Immerhin. Bereits vor zwei Stunden hatte er Cengiz abgelöst und trotz vorgerückter Stunde ein weiteres Mal in ihrem Zimmer angerufen. Offenbar war der Hörer nach wie vor ausgehängt. Auf das leise und mehrmals laute Klopfen an der Tür zeigte sie auch keine Reaktion. Als er zu Fußtritten überging, rasselte es Beschwerden der Hotelgäste.
Seitdem wartete er, eingedeckt mit Zeitungen und Illustrierten. Wenn er schon nicht Zeil befragen konnte, wollte er zumindest Dietl abfangen, der immer noch nicht aufgetaucht war. Den Bestellservice des Nachtdienstes hatte er mehrmals bemüht, um sich mit Nescafé wach zu halten. Das wasserlösliche Kaffeepulver trank er, wenn überhaupt, nur in Istanbul. Insgesamt fünf Mal war er kurz davor gewesen, Selma anzurufen, um sie zu bitten, ihm Gesellschaft zu leisten. Der Blick auf die Uhr aber verbot ihm, der Idee nachzugehen.
Sein mehrstündiger Kampf gegen die Müdigkeit endete schließlich um sechs Uhr morgens; er konnte die Augen kaum noch offen halten, als zwei Istanbuler Zivilfahnder auf ihn zumarschierten. Die eingetroffene Verstärkung verdankte Demirbilek der inzwischen unterzeichneten Ersuche; nun genoss er offiziell die Unterstützung der türkischen Ermittlungsbehörden. Dazu war es zu nachtschlafender Zeit notwendig gewesen, Kommissariatsleiter Weniger aus dem Bett zu klingeln. Mit großem Verständnis hatte Demirbilek ein Donnerwetter über sich ergehen lassen. Danach klemmte sich Weniger seinerseits ans Telefon. Bei aller Meinungsverschiedenheit hatte Zeki die Erfahrung gemacht, sich auf ihn verlassen zu können.
Erschöpft instruierte er die beiden Männer. Falls Zeil das Zimmer verließ, sollten sie sie unter keinen Umständen aus den Augen verlieren. Die Männer machten einen entschlossenen Eindruck. Demirbilek überreichte ihnen seine und Cengiz’ Mobilnummer, wobei er die Fahnder bat, die Kollegin per SMS auf dem Laufenden zu halten. Er selbst stand auf Kriegsfuß mit seinem Handy. Dann drückte er den beiden trotz abwehrender Beteuerungen Lira-Scheine, die er an der Rezeption gewechselt hatte, für ein Frühstück in die Hand. Im Vergleich zu türkischen Beamten ging bei ihm ein geradezu königliches Monatssalär auf dem Girokonto ein.
Nach der Verabschiedung klopfte er leise an das Zimmer, das er für sich und Cengiz gebucht hatte. Seine Mitarbeiterin öffnete sofort. Sie war schon
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