Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
abgewendet hatte.
„Ich dachte, Hunde wären so wahnsinnig treu“, meinte Hutch nachdenklich und schüttelte den Kopf. „Ich suche Jasper schon seit dem Tag, an dem Dad gestorben ist. Da ist er nämlich abgehauen.“
Kendra war sichtlich nervös. Die Haut unter ihren perfekt geschwungenen Wangenknochen hatte eine zartrosa Färbung angenommen. Sie lächelte unsicher, wobei ihre Lippen ein wenig zitterten, und blickte Joslyn flehend an. Sag doch was, schienen ihre Augen ihr sagen zu wollen.
„Warum bleibst du nicht zum Abendessen?“, wandte sich Joslyn an Hutch.
Kendras gerade noch rosa Wangen wurden tiefrot.
Oh, oh, schoss es Joslyn durch den Sinn. Das falsche „Etwas“.
„Geht nicht“, antwortete Hutch eine Spur zu schnell. „Die Pferde müssen gefüttert werden.“
Die ganze Sache wurde ja immer seltsamer, stellte Joslyn fest. „Dann ein andermal“, sagte sie.
„Ein andermal“, stimmte Hutch zu. Er nickte zum Abschiedund schaute ein letztes Mal zum Tor, das in Slades Garten führte und immer noch offen stand. Dann seufzte er und stieg in seinen Wagen. Nachdem er den Motor angelassen hatte, ließ er die Fensterscheibe hinunter und lächelte Joslyn zu. Sein Blick allerdings war traurig. „Danke, dass du dich um Jasper gekümmert hast.“
„Kein Problem.“
Hutch legte den Rückwärtsgang ein, wendete und fuhr die lange Auffahrt hinunter, die in der Sonne weiß glitzerte.
„Was läuft denn da zwischen euch beiden?“, fragte Joslyn sofort und drehte sich zu ihrer Freundin um.
Kendras Wangen hatten nun wieder eine normale Farbe angenommen. Sie sah Hutchs davonbrausendem Pick-up nach und wirkte dabei genauso traurig wie vorhin.
„Nichts“, antwortete sie. Es klang wenig überzeugend.
„Lass uns den Wein aufmachen“, schlug Joslyn resigniert vor.
Kendra nickte und zwang sich zu einem Lächeln. Dann gingen sie zusammen zur offenen Tür des Gästehauses.
„Wenn Hutch hier war, um Jasper abzuholen“, sagte Kendra schließlich vorsichtig, als sie das Haus betraten und Joslyn eine Schublade nach dem Korkenzieher durchstöberte, „warum ist er dann ohne ihn wieder weggefahren?“ Sie zog zwei Flaschen Wein aus ihrer Tasche und stellte sie auf die Anrichte.
Joslyn hatte den Korkenzieher gefunden und machte sich daran, einen australischen Shiraz zu öffnen. Weingläser gab es zwar keine, dafür aber leere Einmachgläser. Die würden es auch tun. „Es war alles höchst merkwürdig“, antwortete sie, nachdem sie ein paar Sekunden stumm mit dem Korken gekämpft hatte. „Jasper und ich waren draußen im Vorgarten. Dann ist Hutch gekommen, und ich dachte, der Hund würde sich freuen, endlich wieder ein vertrautes Gesicht zu sehen. Nach allem, was er durchgemacht hat … Doch dann ist er plötzlich Richtung Gartenmauer losgedüst. Jasper, meine ich, nicht Hutch.“
Kendra lächelte schwach über Joslyns nachgeschobene Erklärung, nahm ein Einmachglas randvoll mit Wein und wartete, dass Joslyn weiterredete.
„Du hast mir gar nicht erzählt, dass Slade Barlow nebenan wohnt“, sagte Joslyn.
„Du hast nicht gefragt. Was ist dann passiert?“
„Jasper hat sich irgendwie sofort mit Slade verbunden gefühlt. Ich habe den Hund gerufen. Hutch hat ihn gerufen. Aber der verrückte Kerl hat sich keinen Millimeter von der Stelle bewegt. Jasper hat so gewirkt, als hätte er immer schon Slade gehört.“ Sie schwieg einen Moment. Dann runzelte sie die Stirn. „Er ist verheiratet, oder?“
„Jasper?“, fragte Kendra, und in ihrem Blick lag ein melancholisches Lächeln.
Joslyn verdrehte die Augen.
„Oh!“, rief Kendra, als hätte sie gerade eine Art Geistesblitz gehabt. „Du meinst Slade .“
„Sehr witzig.“ Joslyn schenkte sich ebenfalls Wein ein.
„Geschieden“, meinte Kendra. „Er war mit dieser umwerfend schönen Rothaarigen mit den wahnsinnig langen Beinen verheiratet. Sie hatte diese gewisse Art zu lächeln, bei der die Männer reihenweise aus den Socken kippen. Während er sich um das Amt des Sheriffs beworben hat, war sie immer an seiner Seite. Nachdem er allerdings den Job bekommen hatte, ist sie mit der kleinen Tochter in die Stadt gezogen.“
Joslyn kam sich mit einem Mal seltsam unzulänglich vor. Sie wusste, dass sie einigermaßen attraktiv war. Doch als „umwerfend schön“ konnte man sie auf keinen Fall bezeichnen. Bei ihr würde in nächster Zeit auch niemand aus den Socken kippen.
Nicht, dass so etwas wichtig wäre. Nicht sehr zumindest.
„Die beiden haben ein
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