Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
Kind?“, erkundigte sie sich. Sie vergaß, dass sie auf ihre und Kendras Freundschaft anstoßen wollte, und trank einen großen Schluck Wein.
„Sie hat eines. Das intelligenteste Kind, das man sich vorstellen kann. Layne ist ein paar Jahre älter als Slade, was vielleicht der Grund war, dass es mit ihnen nicht geklappt hat.“ Kendra schnupperte. „Was duftet hier so gut?“
„Das Abendessen.“ Joslyn machte sich sofort auf die Suchenach einem Topflappen. „Wenn ich es nicht aus dem Ofen nehme, verbrennt es gleich.“
Ein paar Minuten später saßen Joslyn und Kendra am Tisch, ließen sich das Essen schmecken und unterhielten sich über alles Mögliche. Nur nicht über Slade Barlow und Hutch Carmody.
Nachdem Joslyn Kirk durch das Tor in der Gartenmauer verschwunden war, hockte Slade eine Weile genauso reglos da wie der Hund; er musste sich sehr beherrschen, damit er ihr nicht hinterherrannte.
Aber was dann?
Er seufzte und blickte zu dem Hund hinunter, der mit glänzenden Augen und scheinbar völlig zufrieden zu ihm hochschaute.
Slade wusste, dass er John Carmody ähnlich sah – dafür konnte er nichts –, aber es konnte doch unmöglich so sein, dass Jasper ihn mit Carmody verwechselte. Hunde erkannten ihr Herrchen, das war eine Tatsache.
„Möchtest du Wasser?“, fragte er den Vierbeiner, während er zur Verandatür ging.
Jasper trottete hinter ihm her. Die Hundemarken an seinem Halsband klirrten fröhlich.
Slade nahm eine Schüssel, aus der er normalerweise seine Frühstücksflocken aß, füllte an der Spüle Wasser hinein und stellte sie auf den Boden.
Jasper trank durstig.
„Du wärst in Whisper Creek wahrscheinlich glücklicher“, fuhr Slade fort. „Eine Ranch ist ein guter Ort für einen Hund.“ Oder für einen Mann, der lieber Rancher als Sheriff wäre, dachte er.
Zum Glück läutete genau in diesem Moment das Telefon.
Slade griff nach dem Hörer, der senfgelb und dessen Schnur in sich verdreht und verknotet war.
„Slade Barlow.“
„Dad?“
Slade schloss einen Moment lang die Augen. Er war froh,dass seine Stieftochter ihn nicht sehen konnte. Bei dem Wort Dad gab es ihm jedes Mal einen Stich mitten ins Herz. Genau dorthin, wo es am meisten wehtat. „Hallo, Shea“, sagte er mit etwas heiserer Stimme.
„Sie treibt mich in den Wahnsinn!“, jammerte Shea. Sie kam immer gleich zur Sache.
Slade schaute zu Jasper hinunter und merkte, dass die Schüssel leer war und der Hund zu ihm aufblickte. Er erinnerte Slade an Oliver Twist, der um einen Nachschlag bettelte. „Ich schätze, mit ‚sie‘“, antwortete er mit leicht sarkastischem Unterton, während er sich nach der Schale bückte, „meinst du deine Mutter, oder?“
„Okay, okay“, lenkte Shea ein. Sie war sieben Jahre alt gewesen, als Slade und Layne geheiratet hatten, und elf bei der Scheidung. Jetzt war sie sechzehn und hatte schon den Führerschein. Bei dem Gedanken daran trieb es Slade fast die Tränen in die Augen. Sie veränderte sich täglich, und er war nicht dabei, um mitzuerleben, wie sie erwachsen wurde.
Oder um sie zu beschützen.
Slade vermisste seine Exfrau nicht, und er war sich sicher, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte. Doch es verging kein Tag, an dem er nicht an Shea dachte und wünschte, er und Layne hätten ihre Ehe retten können. Wenn schon nicht für sich als Paar, dann zumindest dem Kind zuliebe. Vielleicht hätten sie ihr eine Schwester oder einen Bruder schenken können. Oder beides.
Slade füllte wieder Wasser in die Schüssel und stellte sie für Jasper auf den Boden. Der Hund begann, sofort wieder gierig zu trinken. Er wirkte insgesamt einigermaßen sauber, war aber erschreckend mager und ganz offensichtlich kurz vorm Verdursten.
„Ich möchte bei dir wohnen“, verkündete Shea. „Bitte“, fügte sie in traurigem Ton hinzu.
„Aber das haben wir doch schon besprochen“, wandte Slade ein. Er klang gelassener, als ihm zumute war. Wäre er Sheas leiblicher Vater gewesen, hätte er das gemeinsame Sorgerecht beantragt.Doch das war er nun mal nicht. Juristisch hatte er, was Shea betraf, keinerlei Ansprüche. „Erinnerst du dich?“ Er konnte förmlich sehen, wie Shea ihre großen, lavendelblauen Augen verdrehte und sich dabei ihre dunklen Stirnfransen in den Wimpern verfingen. „Ja, ja, du bist nicht mein richtiger Vater“, sagte sie genervt, weil sie diese Diskussion tatsächlich schon geführt hatten – und zwar viele Male. „Das weiß ich. Mom ist meine Mutter, und
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