Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
möchte.“
„Du hast ein sehr kostspieliges Gewissen“, stellte Kendra mit einem kleinen Lächeln fest, das zwar ein wenig zittrig, aber dennoch aufrichtig war. „Doch ich verstehe dich durchaus. Dein Geheimnis ist jedenfalls bei mir gut aufgehoben.“
„Gut“, meinte Joslyn erleichtert. „Und jetzt bist du dran. Warum glaubst du nicht mehr an die Liebe?“
In Kendras Blick lag plötzlich eine so große Traurigkeit, dassJoslyn ihr hartnäckiges Nachfragen sofort bereute. Aber wie hatte Kendra selbst gesagt? Gleiches Recht für alle. „Wegen Jeffrey. Mein Exmann.“
„Was hat er getan?“
Kendra überlegte eine Weile, ehe sie antwortete. „Er hat mich im Sturm erobert, mich geheiratet und mir das Blaue vom Himmel versprochen. Eine Zeit lang hat er sogar Wort gehalten. Wir haben nach der Hochzeit – die Trauung war nur standesamtlich und im kleinen Kreis – ganz Europa bereist. Aber merkwürdigerweise hat es sich nie ergeben, dass wir seine Verwandten in England besucht haben. Seine Familie hat mich, wie sich herausstellte, als nicht standesgemäß empfunden. Jeffrey meinte, ich solle mir nichts daraus machen. Die Liebe würde alles überwinden usw. Wir sind also hierher zurückgekehrt, haben dieses Haus aus dem Rossiter-Nachlass gekauft und Pläne geschmiedet, eine eigene Familie zu gründen. Er hatte jede Menge Geld, und ich war dumm genug zu glauben, ich hätte jemanden gefunden, der für mich sorgt.“
„Und?“, hakte Joslyn nach, da Kendra schwieg.
„Und eine Woche, nachdem wir den Kaufvertrag für dieses Ungetüm von Haus unterzeichnet hatten, wurde sein Vater krank. Jeffrey ist sofort nach London geflogen. Ziemlich bald darauf hat er mich angerufen und mir mitgeteilt, es tue ihm leid, mir Unannehmlichkeiten zu bereiten, aber er wolle die Scheidung. Unsere Beziehung sei ein einziger riesiger Fehler gewesen. Auf mein Privatkonto wurden plötzlich mehrere Millionen Dollar überwiesen, und Jeffreys ‚Advokaten‘, wie er sie bezeichnete, haben mir die Dokumente für das Haus zugeschickt. Das war’s. Das Märchen war zu Ende.“
„Autsch.“ Joslyn nahm Kendras Hand und drückte sie zart. „Das ist brutal. Hat Jeffrey dir jemals irgendeinen Grund genannt?“
Kendra schluckte schwer. Dann schüttelte sie den Kopf. „Das musste er nicht“, antwortete sie schnell. „Ich weiß nicht, ob sein Vater wirklich krank oder die ganze Sache nur ein Vorwand war, um Jeffrey nach Hause zu locken. Sobald er dort war, habenseine Verwandten jedenfalls keine Zeit verschwendet, ihn davon zu überzeugen, dass unsere Beziehung nur eine unglückselige Liebschaft war, die unverzüglich beendet werden muss – koste es, was es wolle. Jeffrey hat sich offensichtlich dieser Meinung irgendwann angeschlossen, mir gewissermaßen die adelige Tür vor der Nase zugeschlagen, und das war’s dann.“
„Dieser Mistkerl.“ Joslyn war empört. „Du sagst es.“
Joslyn biss sich auf die Unterlippe. Sie zögerte, ob sie aussprechen sollte, was ihr gerade durch den Kopf ging. Letztendlich konnte sie sich jedoch nicht zurückhalten. „Trotzdem“, begann sie, „scheint es mir ein wenig übereilt, deshalb überhaupt nicht mehr an die Liebe zu glauben, oder? Ich meine, wie wahrscheinlich ist es schon, dass so etwas noch einmal passiert?“
„Ich habe ihn geliebt“, erwiderte Kendra schlicht. „Ja, aber …“
„Ich mache mich wohl besser wieder an die Arbeit“, unterbrach Kendra sie. „Ich muss die Verträge für die Hühnerfarm vorbereiten und beiden Vertragspartnern die Papiere schicken lassen. Und da ist natürlich das Barbecue, das geplant werden will.“
„Richtig.“ Joslyn stand auf und trug ihre und Kendras Tasse zur Spüle.
„Ich könnte deine Hilfe bei der Essensvorbereitung wirklich gut gebrauchen“, erklärte Kendra.
Joslyn seufzte innerlich. In dieser Sache gab es kein Entkommen – Kendra hatte ihr einen Job und eine Wohnung gegeben, und außerdem waren sie Freundinnen. Sie musste bei dieser Party mitmachen, ob sie wollte oder nicht.
Und sie half im Grunde nur zu gern.
„Wie viele Leute lädst du ein?“, erkundigte sie sich schließlich resigniert.
„Rechne am besten mit mindestens hundert. Vielleicht mehr.“
Kendra war mittlerweile zur Tür gegangen. Sie hatte Joslyn den Rücken zugewandt und dachte wahrscheinlich, ihre Freundin würde nicht sehen, dass sie sich mit beiden Handrückenüber die Wangen wischte, während sie schließlich fluchtartig die Küche verließ.
Einkaufen war
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