Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
jedenfalls für Slades Verhältnisse – lange Rede zu verdauen. Beide Parkplätze vor den zwei Läden waren halb voll.
Slade drückte auf die Hupe – was offenbar als schneller Gruß für seine Mutter Callie im Frisiersalon gedacht war.
„Verstehe“, sagte Joslyn, obwohl sie es keineswegs verstand . Dieses merkwürdige aufgeladene Schweigen machte ihr langsam wirklich zu schaffen.
Es war ein Gefühl, als würde man barfuß auf einem heißen Blechdach tanzen. Ich hätte einfach in Kendras Küche und bei meiner Spezial-Focaccia mit Knoblauch und Rosmarin bleiben sollen. Dort hatte sie sich wenigstens nur mit den Geistern der Vergangenheit auseinandersetzen müssen; nicht mit einem großen, schlanken, heißblütigen Cowboy mit einer Ausstrahlung, bei der sie sich womöglich selbst die Kleider vom Leib riss, wenn sie nicht aufpasste.
Sie näherten sich einer Seitenstraße, an deren Rand ein Holzschild mit der Aufschrift „Zu verkaufen“ stand. Daneben befand sich ein typisch ländlicher Briefkasten, der sich bereits gefährlich nach rechts neigte. Slade schaltete herunter, blinkte und bog ab. Der Pick-up holperte über einen Weiderost.
„Was führt dich hierher zurück, Joslyn?“, fragte Slade, während er gekonnt die schmale kurvige Straße hinauffuhr. „Nach Parable, meine ich.“
Da ist sie also wieder, dachte Joslyn. Die Frage, die zwar, wie sie annahm, völlig verständlich war, bei der sich ihr jedoch jedes Mal förmlich die Haare sträubten.
„Ich habe eine Veränderung gebraucht“, antwortete sie. „Wovon?“
„Von meinem alten Leben.“ „Das du wo geführt hast …?“
„Ist das ein Verhör? Stehe ich unter Verdacht?“ Joslyns Fragewar halb im Ernst gemeint, obwohl sie sich bemühte, freundlich zu bleiben.
Slade bedachte sie mit einem umwerfenden Lächeln. „Nein. Wenn es so wäre, hätte ich nur auf einer Computertastatur ein paar Tasten drücken müssen und alles herausgefunden, was ich wissen muss.“
Joslyn seufzte. Es war tatsächlich so, dass im Internet ein paar wesentliche Fakten mit interessanten Details zu ihrer Person zu lesen waren. Slade war neugierig, was sie in der Vergangenheit gemacht hatte – das war offensichtlich. Er hätte problemlos im Internet recherchieren können, doch stattdessen fragte er sie gerade persönlich. Interessanter Ansatz.
Aber es war natürlich möglich, dass er bereits Informationen über sie eingeholt hatte und jetzt bloß ihre Version hören wollte.
Joslyn grübelte immer noch darüber nach, als sie den letzten Hügel hinauffuhren und plötzlich das alte Haus und der Stall vor ihren Augen auftauchten. Auf der Rückbank hinter ihnen gab Jasper ein fröhliches, erwartungsvolles Kläffen von sich. Im Gegensatz zu seinem Herrchen war der Hund bereits absolut begeistert von dem Anwesen.
„Nach dem College bin ich nach Phoenix gezogen und habe seither dort gelebt“, erklärte Joslyn ruhig, weil sie wusste, dass sie der Frage, wo sie all die Jahre gewesen war, nicht ausweichen konnte.
„Und jetzt bist du wieder in Parable.“ Slade hielt den Pickup zwischen den beiden baufälligen Gebäuden an, die sich so aneinanderzulehnen schienen, als würden sie sich flüsternd ihre Geheimnisse anvertrauen.
Weder Slade noch Joslyn machten Anstalten auszusteigen.
Jasper begann, ungeduldig auf der Rückbank hin und her zu springen und mit den Pfoten auf den Ledersitzen zu scharren. Er hatte es offensichtlich eilig, das Grundstück auf eigene Faust zu erkunden.
Joslyn war wegen Slades Bemerkung immer noch ein wenig gereizt.
Und jetzt bist du wieder in Parable.
„Gibt es irgendein Gesetz, das mir den Aufenthalt hier verbietet, Sheriff Barlow? Eine städtische Verordnung vielleicht? ‚Niemand, der auch nur im Entferntesten in Verbindung mit Elliott Rossiter gebracht werden kann, darf jemals wieder einen Fuß in unser ehrbares Städtchen setzen‘?“
Slade zog eine seiner dunklen Augenbrauen hoch. Um seinen Mund zuckte es fast unmerklich.
Was, wunderte sich Joslyn, fand er denn so wahnsinnig komisch?
Mittlerweile wurde der Hund von Sekunde zu Sekunde immer unruhiger, sodass Slade endlich ausstieg und die hintere Tür aufmachte, damit Jasper herausspringen konnte. Dann sah er zu, wie der Vierbeiner aufgeregt auf dem verwilderten Rasen vor dem Haus herumlief und ausgelassen bellte.
„Kommst du mit rein oder wartest du hier?“, erkundigte sich Slade ruhig. Und das, nachdem er sie wegen ihrer Rückkehr nach Parable praktisch ins Kreuzverhör
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