Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
Erfahrung nach nicht“, widersprach Slade sofort.
Dann drehte er sich um und ging zu dem Schlüsselkasten neben der Eingangstür des wackeligen alten Ranchhauses.
Joslyn kochte immer noch vor Empörung. Sie verfolgte, wie Slade die Stufen zur Veranda hinaufstieg, die um das ganze Haus herum verlief und deren Boden bereits etwas durchhing. Er schloss den Kasten auf und nahm den Hausschlüssel heraus, den Kendra hier hinterlegt hatte.
Einmal blickte er kurz in Joslyns Richtung, dann sperrte er die Haustür auf, öffnete sie und ging hinein. Jasper sprang ihm mit wedelndem Schwanz hinterher. Die Schmetterlinge waren vergessen.
„Idiot“, murmelte Joslyn. Und sie meinte nicht den Hund.
Im nächsten Moment schwirrte plötzlich eine lästige Wespe um sie herum und trieb sie ebenfalls zur Tür.
Nicht, dass sie einen Vorwand gebraucht hätte, das Haus zu betreten und sich darin umzusehen. Immerhin war sie – wenn auch nur inoffiziell – in Kendras Auftrag hier. Und außerdem: Wenn sie draußen blieb oder im Pick-up wartete, hätte Slade gewonnen – unabhängig von der Art des Spielchens, das er spielte.
Joslyn würde sich nicht von ihm einschüchtern lassen.
Also stieg sie rasch die Verandatreppe hinauf und ins Haus.
Schon auf der Schwelle blieb sie wie angewurzelt stehen, weil ein ganz merkwürdiges, wehmütig-nostalgisches Gefühl sie plötzlich überfiel. Obwohl sie noch nie hier gewesen war, hatte sie den Eindruck, als würde dieses Gebäude sie nach einer langen, schwierigen Reise wieder willkommen heißen.
Es war schön, doch gleichzeitig auch regelrecht gespenstisch.
Sie blinzelte ein paarmal, lauschte dem Geräusch von Jaspers Krallen auf dem Holzboden im Raum nebenan und hörte, wie Slade leise und liebevoll etwas zu dem Hund sagte. Was genau es war, konnte sie nicht verstehen.
Langsam schloss sie die Tür hinter sich und sah sich im Halbdunkel des mittelgroßen Wohnzimmers um.
Für ein leer stehendes Haus war der Raum erstaunlich sauber. Kendra oder die Besitzer mussten eine Reinigungsfirma beauftragt haben, in regelmäßigen Abständen zu putzen. Außerdem strahlte das Zimmer einen gewissen dezenten Charme aus. Der offene Kamin war aus roten Backsteinen gemauert, und darüber befand sich ein breiter Sims aus Holz. An einer der Außenwände gab es links und rechts der beiden Erkerfenster mehrere eingebaute Bücherschränke. Unter den Fenstern stand eine Sitzbank. Die Bretter des lackierten Holzbodens hatten die Farbe von warmem Nussbraun und waren nicht mit Nägeln, sondern mit Dübeln fixiert.
Es war leicht, sich diesen Raum mit Bildern an den Wänden, mit gemütlichen Möbeln im Shabby-Chic-Stil, unzähligenBüchern in den Regalen und einem Kaminfeuer vorzustellen, das knisterte, während vor den Fenstern dicke Schneeflocken vorbeiwirbelten. Selbst die Vorstellung eines glitzernden Weihnachtsbaums war alles andere als abwegig.
Joslyn schüttelte den Kopf, seufzte und zwang sich, mit dem Tagträumen aufzuhören. Einen Moment lang hatte sie sich dazu hinreißen lassen, aber jetzt ging es ihr wieder gut. Wirklich.
Wäre da nur nicht dieses Prickeln gewesen, das in ihrem Bauch begann und durch ihren ganzen Körper strömte. Sie drehte sich um und bemerkte, dass Slade in einer der Wohnzimmertüren stand und sie anschaute. Neben ihm saß der Hund.
Ein paar Sekunden lang sahen sie und Slade sich einfach nur an.
„Es tut mir leid, Joslyn“, meinte Slade irgendwann in der für ihn typischen direkten Art. „Das, was ich draußen zu dir gesagt habe, meine ich.“
Sie schluckte und versuchte zu lächeln. Es wollte ihr nicht recht gelingen. Die Wahrheit war, dass dieser Mann, auf dessen Meinung sie nichts geben wollte, sie verletzt hatte.
„Okay.“ Was für eine wahnsinnig geistreiche Antwort …
Er kam auf sie zu und schaute ihr direkt in die Augen.
Sie blickte zu ihm auf. Atmete den frischen Duft seiner Haut und seiner Kleidung ein. Ließ seine Hitze ihren Körper wärmen. Wenn er jetzt vorhatte, sie zu küssen, hätte sie nichts dagegen tun können.
Allerdings tat er es nicht. Er sah sie einfach nur lange an. Seinen Mund umspielte ein verschmitztes Lächeln, und seine Augen leuchteten. Und dann fragte er sie: „Was hältst du davon?“
Was hielt sie davon? Wovon? Geküsst zu werden? Nicht geküsst zu werden?
„Oh, was ich von dem Haus halte.“
Er schien sich wieder köstlich zu amüsieren. „Ja“, antwortete er grinsend. „Von dem Haus.“
„Es ist …“ Joslyn blickte sich um
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