Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
nannte?
Martie nickte. „Carlotta ist eine Art Gemeinschaftskatze. So könnte man es ausdrücken, glaube ich. Sie gehört sozusagen allen in Parable. Wir haben versucht, sie einzufangen, um sie sterilisieren und impfen zu lassen, sie ist uns allerdings immer entwischt. Bei schlechtem Wetter oder wenn die Kojoten hier herumstreunen, sucht sie sich bei irgendjemandem ein sicheres Plätzchen zum Schlafen und lässt sich dort eine Weile durchfüttern.“
Joslyn hatte das Furcht einflößende, einsame Heulen der Kojoten, die ab und zu in Parable auftauchten, schon vergessen. Meistens kamen sie in der Dunkelheit. Allein bei dem Gedanken, dass die arme Lucy-Maude ganz allein und schutzlos den hungrigen Raubtieren ausgesetzt war, lief ihr ein Schauer über den Rücken.
„Wie lange ist sie schon bei Ihnen?“, erkundigte sich Martie, da Joslyn keine Anstalten machte, etwas zu sagen.
„Ein paar Tage.“
Martie lächelte erfreut und strahlte übers ganze Gesicht. „Meines Wissens ist Carlotta nie länger als einen Tag irgendwo geblieben. Mir scheint, sie hat sich entschlossen, von jetzt an Ihre Katze zu sein. Und zwar ausschließlich Ihre Katze.“
Joslyns Reaktionen waren merkwürdig gemischt. Sie spürte eine gewisse Unschlüssigkeit – schließlich waren ihre Pläne für die Zukunft alles andere als konkret. Andererseits war sie erleichtert darüber, dass Lucy-Maude nicht von irgendjemandem verzweifelt gesucht wurde.
Joslyn schluckte und suchte nach den richtigen Worten. „Aber ich bin vielleicht nicht mehr allzu lange hier in Parable“, erklärte sie unsicher. „Ich hatte eigentlich nicht vor, mir ein Haustier zuzulegen. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass Lucy-Maude trächtig ist, und …“
Marties Lächeln erstarb. „Ach herrje.“ Sie befühlte mit den Fingerspitzen vorsichtig Lucy-Maudes Bauch. Dann nickte sie. „Kein Zweifel, sie bekommt Junge.“
„Und, wie gesagt, ich hatte nicht vor, mir ein Haustier …“
Martie schmunzelte, als Joslyn mitten im Satz abbrach. „Wegen der Jungen machen wir uns Gedanken, wenn es so weit ist“, meinte sie. „Doch wegen Ihrer Pläne, sich kein Haustier nehmen zu wollen … Tja, manchmal funktioniert es umgekehrt, und das Haustier sucht sich seinen Besitzer selbst aus.“ Sie atmete tief durch. „Ich kann Carlotta natürlich ins Tierheim mitnehmen, wenn es das ist, was Sie möchten. Allerdings haben wir schon jede Menge Tiere, die dringend ein Zuhause brauchen.“
Joslyn zuckte innerlich bei der Vorstellung zusammen, dass Carlotta/Lucy-Maude irgendwo in einem Käfig saß – egal, wie einigermaßen tiergerecht sie dort auch gehalten werden mochte. An die vielen anderen Katzen, Hunde und Vögel, die überall auf der Welt in Tierheimen auf ein gutes Plätzchen warteten, durfte sie gar nicht denken.
Sie warteten und warteten.
„Dann behalte ich sie.“ Joslyn war glücklich und seltsam traurig zugleich. „Irgendwie werden wir es schon schaffen, Lucy-Maude und ich.“
Martie klopfte Joslyn auf die Schulter und lächelte wieder. „So ist es recht“, sagte sie anerkennend. „Sie können jederzeit bei uns vorbeischauen, wenn Sie möchten“, fügte sie hinzu und blickte Joslyn dabei ein wenig skeptisch von der Seite an.
Joslyn gab ein ersticktes, leicht hysterisches Lachen von sich und konnte sich gerade noch beherrschen, nicht die Augen zu verdrehen. „Klar. Und noch mehr Katzen mit nach Hause nehmen? Vielleicht auch noch einen Hund und ein paar Kaninchen, wenn ich schon einmal dabei bin?“
Martie musste jetzt ebenfalls lachen. „Es war zumindest ein Versuch.“ Dann wurde sie ernst und schaute sich in Opals kleinem Wohnzimmer um. „Es ist seltsam, wieder in diesem Haus zu sein. Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal herkommen würde.“
Joslyn wollte gerade versprechen, dass sie Lucy-Maude demnächst im Tierheim vom Tierarzt untersuchen und impfen lassen würde. Doch bei Marties Bemerkung blieben ihr die Worte im Hals stecken. „Sie haben … Opal gekannt?“, stammelte sie, nachdem sie sich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte.
Martie nickte. „Wir sind gut befreundet.“
Joslyn rang nach Luft. „Dann haben Sie also Kontakt mit Opal?“
„Aber natürlich. Sie lebt seit Jahren bei ihrer Schwägerin in Great Falls. Opal war sogar verheiratet, aber ihr Mann hat nicht lange gelebt.“
Joslyns Herz schlug schneller. Sie machte den Mund auf und wieder zu – und brachte kein Wort heraus.
Martie sah sie wieder skeptisch an,
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