Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
sie ihr Versprechen halten und sich um die Firma kümmern.
„Was weiß ich denn schon vom Immobiliengeschäft?“, fragte sie Lucy-Maude, die gerade ohne Probleme die Extraportion Futter verschlang. „Nichts.“ Joslyn breitete ihre Hände aus,um ihre nicht vorhandenen Kenntnisse zu verdeutlichen. „Null. Nix. Nada.“
Lucy-Maude hielt kurz inne, schenkte Joslyn einen dieser „Krieg dich wieder ein, ich habe schon verstanden, was du meinst“-Blicke und widmete sich wieder ihrer Mahlzeit.
„Ich verbringe viel zu viel Zeit allein“, jammerte Joslyn, warf die Reste ihres Sandwiches weg, spülte dann den Teller und das Buttermesser ab und legte beides ordentlich auf das Abtropfbrett. Die beiden sahen ganz einsam darauf aus; die einzige Gesellschaft, die sie hatten, war die Frühstückskaffeetasse. „Entschuldige bitte, wenn ich so etwas sage“, redete sie weiter mit Lucy-Maude. „Theoretisch bin ich ja nicht ganz allein, weil du da bist. Aber, nun ja, du bist eben eine Katze .“
Nachdem Joslyn sich wieder beruhigt hatte, verbrachte sie die nächsten zwanzig Minuten damit, das Notwendigste für ihren „Umzug“ – Zahncreme, Zahnbürste, ihren Pyjama, das Buch, das sie sich von Kendra ausgeliehen hatte etc. – in ihren kleinen Koffer zu packen. Dann holte sie alles, was Lucy-Maude brauchen würde – Körbchen, Schlafdecke, Futter, Katzenklo und streu – und stellte es im Wohnzimmer auf den Boden.
Joslyn kam es so vor, als hätte sich viel zu viel Zeug für ein rasches Ausziehen angesammelt – das von Lucy-Maude und ihr eigenes. Seit sie Phoenix verlassen hatte, war sie immer nur mit leichtem Gepäck gereist, und jetzt war sie wieder dabei, Dinge anzuhäufen.
Nicht gut.
Wenn es eine Lektion gab, die sie seit dem Verkauf ihrer Firma gelernt hatte, dann die, wie wenig ein Mensch in Wahrheit brauchte.
Bei ihrer ersten Umzugstour durch den Garten ging sie, beladen mit ihrem Laptop und dem Koffer, durch die Schiebetür der verglasten Veranda ins Herrenhaus. Sie hatte die Tür vorhin in weiser Voraussicht aufgeschlossen.
Sie entschied sich, nicht in ihr altes Zimmer oder eine der zahlreichen Gäste-Suiten zu ziehen, sondern in Opals frühere Wohnung neben der Küche. Es war eine Möglichkeit, zumindestsymbolisch, lediglich einen Fuß in der Tür zu diesem großen Haus zu haben. Vielleicht bestand dadurch ja Hoffnung, dass sie nicht in einen Strudel der Gefühle hineingezogen und in jene aufwühlende Zeit zurückgeworfen würde, an die sie sich größtenteils nicht mehr erinnern wollte.
Seltsam, dass sie dieses monströse Haus und das Leben, das sie hier geführt hatte, einmal vermisst hatte. Jetzt kam es ihr fast erdrückend vor.
Opals frühere Wohnung war fast genauso groß wie das Gästehaus. Ein eigenes Badezimmer – konnte man heutzutage Waschbecken, Toiletten und Wannen in diesem merkwürdigen Rosa überhaupt noch kaufen? – gehörte ebenso dazu wie ein Wohnzimmer. Es gab sogar eine kleine Herdplatte und einen Mini-Kühlschrank. Hier hatte Kendra an der Einrichtung nichts verändert; das billige, aber zweckmäßig Sofa, der Lehnsessel und der Couchtisch sowie die Stehlampen und Opals Fernseher standen immer noch an ihrem alten Platz.
Es war ziemlich gespenstisch, hier zu sein und sich in dieser vertrauten Wohnung umzusehen. Joslyn hatte das Gefühl, als wäre die Haushälterin, die sie so geliebt hatte, nur schnell mit ihrem Wagen einkaufen gefahren oder würde gerade etwas aus dem Ofen oder dem Wäschetrockner nehmen.
Kurz stiegen Joslyn Tränen in die Augen, da sie sich – wie schon so oft– fragte, wo Opal jetzt sein mochte. Ob es ihr gut ging und sie glücklich war? War sie überhaupt noch am Leben? Joslyn überlegte, ob sie später, wenn ihr Arbeitstag vorbei war, nicht versuchen sollte, ihre alte Freundin über das Internet zu suchen.
Aber was würde sie sagen, wenn sie Opal tatsächlich fand?
Erinnerst du dich an mich? An Joslyn? Ich bin wieder im Rossiter-Haus. Weiß der Himmel, warum ich zurückgekehrt bin. Wahrscheinlich, um mich irgendwie selbst zu bestrafen. Jedenfalls hat mich alles hier an dich erinnert.
Würde sie das sagen? Wohl kaum. Außerdem war Opal mittlerweile um einiges älter; selbst wenn sie noch lebte, war sie mittlerweile vielleicht schon gebrechlich und befand sich in einem Pflegeheim. Besser, ich lasse die alte Frau in Ruhe, dachte Joslyn.
Andererseits konnte sie Opal einfach nicht aus ihren Gedanken vertreiben. Und zwar deshalb, weil sie sie lieb hatte.
Da
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