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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ohne Motor oder Benzintank zu beschädigen. Das Fenster auf der Fahrerseite lag in Scherben über dem Sitz, die Tür selbst war stark verbeult und von den daumengroßen Geschossen durchbohrt. Virgil ließ den Motor an und fuhr weit genug hinaus, um das elektrische Tor aufzustoßen, ließ aber genug Platz, damit andere Fahrzeuge vorbeikamen.
    Als er wieder im Plex war, rief er mehrere Fertigbetonfirmen an. Er kehrte in den Bunker zurück, suchte einen Schneidbrenner und rollte ihn in den GMB zurück. Die rote Plattform war nichts weiter als eine dicke Stahlplatte; als er die Flamme eingestellt und die rote Farbe weggebrannt hatte, konnte er sie durchschneiden wie Butter.
    Während er ein Loch in die Plattform schnitt, ging er in Gedanken seine Gründe durch:
    1.
    Das Gesetz ist die Meinung des Burschen mit der größten Knarre.
     
    2.
    Die größte »Knarre« haben in den USA Polizei und Streitkräfte.
     
    3.
    Hypothese: Jemand möchte das Gesetz brechen oder, allgemeiner ausgedrückt, US-Gesetze in einer bestimmten Zone null und nichtig machen.
     
     
    4. Das macht eine größere Knarre erforderlich.
    5.
    Die Drohung, ein großstädtisches Gebiet mit Atommüll zu kontaminieren müßte diesen Zweck erfüllen.
     
    6.
    Das wäre ein Motiv für die Übernahme des Atommüllagers.
     
    7.
    Kroatobaltoslowenen haben das Atommüllager übernommen.
     
    8.
    Sie möchten entweder die Stadt verseuchen oder dieses Gebiet – den Plex – übernehmen, indem sie selbiges androhen.
     
    9.
    Entweder werden wir alle vergiftet, oder aber die Repräsentanten des Freien Existenzknotenpunktes des Volkes von Kroatobaltoslowenien werden den Menschen in diesem Gebiet ihre eigenen Gesetze aufzwingen.
     
     
    10. Das hört sich nicht besonders nett an.
    11. Vielleicht können wir ihre Knarre zerstören, indem wir die möglichen Kontaminationswege versperren. Der Fahrstuhl müßte ihr bevorzugter Weg sein, da er direkten Zugang zur Atmosphäre bietet.
    Ein unebenmäßiges Stahlrund mit einem Durchmesser von cirka sechzig Zentimetern brach ab und stürzte in die Schwärze. Virgil zog die Maske zurück und sah hinab. Der Rand des runden Stücks war immer noch rotglühend; als es durch die Schwärze fiel, konnte Virgil sehen, wie es sich drehte und immer trüber wurde, bis es auf dem Boden aufschlug. Der Knall ertönte einen Augenblick später in Virgils Ohren. Durch das Loch konnte er den Gestank der Kanalisation riechen und gelegentliche Zwistigkeiten unter den Ratten hören.
    Als er das Aufheulen eines Lastwagenmotors hörte, der heruntergeschaltet wurde, löschte er die Flamme und lief hinaus auf die Rampe. Virgil dirigierte den Betonwagen durch das verkantete Tor und die Verladerampe hinauf. Er wies den Fahrer an, den Ablaufstutzen so herumzuschwenken, daß er seine gesamte Ladung in das gerade aufgeschnittene Loch kippen konnte.
    Der Fahrer war jung, ein Doktor der Philosophie, der erst vor zwei Jahren seinen Abschluß an der Big U gemacht hatte. Ihm war offenbar bewußt, daß Virgil eine ungesetzliche Tat von ihm verlangte. »Nenn mir einen vernünftigen Grund, weshalb ich meinen Beton in dieses Loch kippen sollte«, forderte er.
    Virgil dachte darüber nach. »Der Grund dafür ist sehr ungewöhnlich; wenn ich ihn dir nennen würde, könntest du auf den Gedanken kommen, daß ich wahnsinnig bin.«
    »Was mir keinen vernünftigen Grund gibt.«
    »Stimmt«, gab Virgil zu. »Aber vergessen wir nicht die konventionelle Einschätzung des Wahnsinns. Unsere Medien sind voll von Bildern, die das wahnsinnige Segment der Bevölkerung als außergewöhnlich gefährliche, unberechenbare Gruppe darstellen. Nimm Hinckley als Beispiel! Schau die eine Folge von T.J. Hooker an! Wenn du also glauben würdest, daß ich wahnsinnig bin, wäre die mit deiner Sozialisation konsistente Reaktion die, daß du tust, was ich dir sage, um deine eigene Sicherheit zu gewährleisten.«
    »Das würde zutreffen, wenn ich ein ganz normaler LKW-Fahrer wäre«, sagte der Fahrer nach gequältem Nachdenken, »der in der Regel einen Magister in Soziologie oder so etwas hat. Ich hingegen kann keine Ausrede gebrauchen, die auf dem Unvermögen basiert, eine von den Medien unabhängige Meinung zu haben.«
    »Stimmt. Komm mit.« Virgil ging durch den GMB und brachte den Fahrer zu der schweren Tür, die in den Abfallbereich führte. Dort machte er eine Pause, damit der Lastwagenfahrer die langen roten Schlieren auf dem Boden sehen konnte. Dann machte Virgil die Tür auf und zeigte

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