Big U
ihr fast vorkam, als hätte sie einen der LSD-Flashbacks, vor denen einen die Leute immer warnen. Aber ihr Donut schmeckte wie ein Donut, und alles schien normal zu sein, demnach mußte es sich um die Wirklichkeit handeln – wenn auch eine seltsame und abwegige Variante davon.
Offensichtlich hatten sie nicht alle gebadet, denn ihr Haar war trocken und ihr Make-up frisch. Man konnte Frotteebademäntel sehen, Seidenbademäntel, Winnieder-Puh-Bademäntel, lange Plüschbademäntel, schlichte Samtbademäntel, Designerbademäntel, Kimonos, und sogar ein paar Nachthemden bei den Hübschen und Mageren. Außerdem jede Menge Slipper, zu viele davon mit hohen Absätzen. Als Sarah sicher war, daß ihr Gehirn richtig funktionierte, rückte sie an eine Kommilitonin in der Nähe heran und murmelte: »Ist mir was entgangen? Die haben ja alle Bademäntel an.«
»Scheiße, frag mich nicht!« zischte die Frau energisch. »Ich hab mich gerade geduscht.«
Sarah sah nach unten und bemerkte, daß die Frau tatsächlich ein sauberes Gesicht und feuchte Haare hatte. Sie war unterdurchschnittlich klein und kompakt, aber nicht übergewichtig, hatte ein angenehmes, markantes Gesicht und schwarzbraunes Haar, das bis zu den Schultern reichte. Ihr Bademantel war kurz, alt, unauffällig und hatte eine Wäscheleine als Gürtel.
»Oh, entschuldige«, sagte Sarah. »Man sieht es. Äh, ich bin Sarah, mein Bademantel ist blau.«
»Ich weiß. Vorsitzende des Studentenausschusses.«
Sarah zuckte die Achseln und versuchte, nicht geschmeichelt auszusehen.
»Was ist los, hast du noch nie auf einer dieser Etagen gewohnt?« Die andere Frau schien überrascht zu sein.
»Was meinst du damit, ›auf einer dieser Etagen‹?«
Sie seufzte. »Oh, hör zu. Ich bin Hyacinth. Ich werde dir alles später erklären. Möchtest du dich setzen? Es wird eine lange Sitzung.« Hyacinth faßte Sarah an der Gürtelschlaufe und zog sie höflich zu der hintersten Stuhlreihe, die sie für sich alleine hatten. Hyacinth drehte sich auf ihrem Stuhl seitwärts und betrachtete Sarah ausgiebig.
Der Gemeinschaftsraum war kein hübscher Ort. Ursprünglich war er entworfen worden, um so fröhlich wie ein Werbespot für Pfefferminzbonbons zu sein, doch im Lauf der Zeit war etwas nicht ganz so Erfreuliches daraus geworden. Auf einer Seite befanden sich Fenster mit Ausblick in die Fahrstuhlhalle, wo die vier Flügel von E12 zusammenliefen. Möbliert war er mit den Standardmöbeln des Plex für Gemeinschaftsräume: kubische Stühle und eckige Sofas aus rechteckigen Streben und mit grellem Kunstfaserstoff bezogenen Schaumstoffmatten. Der Teppich war eine Membran aus komprimierten Fasern und von Fußabdrücken und ausgedrückten Zigarettenkippen und den Kotzflecken vieler Jahre gezeichnet. An der Decke strahlten die allgegenwärtigen Neonröhren fröhlich vor sich hin und verströmten Tausende Watt reiner bläulicher Energie auf die Bewohner. Irgend jemand schmückte den Gemeinschaftsraum andauernd, und diese Woche war Football das Thema; die Dekorationen bestanden aus ausgeschnittenen Pappbildern bekannter Zeichentrickfiguren, die mit Football-Bällen herumkasperten.
Die einzige andere Person, die keinen Bademantel trug, war Mitzi, die AR, die stocksteif vorne an dem spitzengedeckten Spieltisch saß, die linke Hand reglos wie einen toten Vogel im Schoß liegen und die rechte sechs Zentimeter vom Unterkiefer entfernt angewinkelt hatte, parallel zur Tischplatte; so hielt sie einen Kugelschreiber in einem kecken, aber nicht vulgären Winkel von fünfundvierzig Grad. Sie stellte ein starres, fast wahnsinniges Grinsen zur Schau, das, soweit Sarah erkennen konnte, mit nichts was zu tun hatte – mit einer Charme-Schule etwa oder einer Strychninvergiftung. Mitzi trug ein übertrieben förmliches Kleid und ein Kilo Schmuck, und wenn sie etwas sagte, bewegte sich zwar nicht mal ihre Kinnlade, aber einer ihrer riesigen Ohrringe kam heftig ins Schwingen.
Mitzi begrüßte unter anderem neue »Mitglieder«. Es gab drei: eine weitere Frau, Hyacinth und Sarah, die in dieser Reihenfolge vorgestellt wurden. Die erste Frau erklärte, daß sie Sandi war und total auf Bildung und all so was abfuhr. Dann kam Hyacinth; sie fuhr auf Apathie ab. Das sagte sie laut und deutlich, worauf alle lachten und Hyacinth zu ihrem Sinn für Humor beglückwünschten.
Sarah, die eine Berühmtheit war, wurde zuletzt vorgestellt. »Worauf fährst du ab, Sarah Jane?« fragte Mitzi. Sarah betrachtete die glänzenden,
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