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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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des Sommers gehabt, als das Computersystem der Megaversität sie automatisch mit der Warnung, daß sie diese Anforderung in ihrem ersten Jahr nicht erfüllt hätte, der Englischvorlesung für Anfänger zuteilte.
    »Hören Sie«, sagte sie zu dem zuständigen Verwaltungsangestellten, als sie im Herbst eintraf, »ich hatte Englisch als Hauptfach. Ich kenne dieses Zeug. Warum stecken Sie mich in die Englischvorlesung für Anfänger?«
    Der Studium-generale-Berater studierte winzige Kodes, die der Computer ausgedruckt hatte, und schlug sie in einem enormen, ebenfalls computergedruckten Wälzer nach. »Aha«, sagte er, »ist einer Ihrer Elternteile ausländischer Nationalität?«
    »Meine Stiefmutter stammt aus Wales.«
    »Das erklärt alles. Verstehen Sie?« Der Angestellte hatte sich zu ihr umgedreht und mit seiner Körpersprache eine offene, unvoreingenommene Haltung ausgedrückt. »Statistische Analysen zeigen, daß die Kinder, bei denen ein oder beide Elternteile anderer Nationalität sind, sich häufig speziellen Herausforderungen gegenübersehen.«
    Sarahs Rücken kribbelte, ihre Miene wurde verkniffen. »Wollen Sie damit sagen, ich kann kein Englisch, weil meine Stiefmutter Waliserin war?«
    »Spezielle Herausforderungen sind in Ihrem Fall wahrscheinlich. Aufgrund Ihrer vorzüglichen Testergebnisse wurden Sie versehentlich von der Englischvorlesung für Anfänger befreit. Diese Ausnahmeoption wurde nun rückwirkend zu Ihrem Vorteil widerrufen.« »Ich möchte nicht, daß sie widerrufen wird. Es ist
    nicht zu meinem Vorteil.«
    »Um unsere hohen akademischen Standard zu wahren ist die Verfügung zwingend notwendig.«
    »Aber das ist doch Quatsch.« Es war nicht besonders hilfreich, so etwas zu sagen. Sarah wünschte sich, Hyacinth könnte an ihrer Stelle hier sein und reden; Hyacinth würde nicht höflich sein, sie würde ganz und gar unvorstellbare Sachen sagen, und alle würden voller Entsetzen davonlaufen. »Ich kann das unmöglich akzeptieren.« Von dem Lärm angelockt wie Aasgeier schauten zwei junge gepflegte Berater mit wissendem Lächeln zur offenen Tür herein. Alle lächelten, nur Sarah nicht. Aber sie wußte, daß sie diesmal im Recht war – sie wußte ganz genau, welches Sprache heute in Wales gesprochen wurde. Sie konnten dumm grinsen, bis ihre Gesichter blau anliefen. Als der Berater andeutete, daß sie eine Sonderbehandlung verlangte, weil sie Vorsitzende des Studentenausschusses war, warf sie ihm einen Blick zu, der ihn einen Augenblick aus der Fassung brachte, ein kleiner, aber hilfreicher Triumph. Sie hatte alles streng nach Vorschrift gemacht und einen Antrag gestellt, mit dem sie bat, von der Anfängervorlesung Englisch befreit zu werden. Aber ihr Antrag wurde abgelehnt aufgrund eines Computerfehlers, durch den es aussah, als hätte sie bei den Tests nur 260 anstatt 660 Punkten erreicht. Als ein Duplikat der Prüfungs
    kommission den Beweis lieferte, daß sie doch klug genug war, war es zu spät, Kurse noch abzuwählen oder neu zu belegen – und so blieb es bei Englisch für Anfänger.
    Doch das Ende der Vorlesung rückte endlich in greifbare Nähe, und Professor Embers gab gerade die Aufsätze dieser Woche zurück. Die Aufgabe hatte darin bestanden, eine Anzeige in einer Zeitschrift auszusuchen und darüber zu schreiben, welche Empfindungen sie in einem weckte.
    »Die Qualität Ihrer Aufsätze diese Woche kam einer Epiphanie gleich«, sagte Professor Embers. »Diesmal mußten wir kaum einmal eine 3 vergeben. Hier sind sie alphabetisch nach Vornamen sortiert in sechzehn Stapeln, einer für jedes Thema.«
    Alle fünfhundert Studenten gingen auf einmal nach unten, um ihre Aufsätze zu holen. Sarah arbeitete noch zehn Minuten, dann sammelte sie ihre Sachen ein und ging vorsätzlich bummelnd nach vorn. Um den Stapel für ihre Aufsätze konnte sie fünf Stalinisten herumstehen sehen – aus irgend einem Grund waren sie alle bei ihrem Thema gelandet. Da sie nie Versammlungen besuchte, war das kein Problem, aber in Zeiten wie diesem wollte sie ihnen auch nicht begegnen. Da stand Dexter Fresser, eine wichtige Figur im Stalinistischen Untergrund-Bataillon, hochgeschossen und gerade wie ein ausgebrannter junger Baum auf einem Feld. Ihm wollte sie ganz besonders aus dem Weg gehen. Sarah und er hatten dieselbe High School in Ohio besucht, waren mit demselben Bus gefahren, hatten dreizehnmal im selben Bett geschlafen und bei drei Gelegenheiten LSD geteilt. Seither hatte Dex kaum einmal nicht jede Menge

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