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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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besser. Sie haben einige von denen als funktionelle Analphabeten bezeichnet. Nun haben aber diese Analphabeten, wie Sie sie nennen, sehr expressive Prosastimmen. Vergessen Sie nicht, daß im Dialekt jeder Person er oder sie vollkommen literarisch ist. In dem Sinne, daß Sie orthodoxen Vorstellungen entkommen sind, um wahrhaft kreativ zu sein, sind Sie daher höchst avancierte Schriftsteller, während Sie immer noch kämpfen, um sich von dem grammatikalischen Regelwerk zu befreien. Sie drücken sich mir gegenüber aus, und ich reagiere darauf mit eigenen kleinen Gedichten, die nur aus einer Zahl bestehen – die Essenz des Benotens! Poesie! Und als Poet bin ich dafür besonders gut geeignet. Ihre Vorstellung, diese Proto-Künstler niederzumachen, nur weil sie nicht so sind wie Sie, riecht für mich nach einem Absolutismus, der in einem Tempel akademischer Freiheit äußerst beunruhigend ist.«
    Sie saßen sich eine Weile schweigend gegenüber.
    »Sie haben das wirklich gesagt, nicht?« fragte sie schließlich.
    »So ist es.«
    »Hm. Also treiben wir nur so herum, ohne irgendwelche Maßstäbe.«
    »So könnte man es ausdrücken. Sie sollten sich in dieser Frage mit dem Vorstand der Fakultät kurzschließen. Hören Sie, es gibt keine absolute Realität, richtig? Wir können nicht jeden zwingen, sich nach denselben absoluten Regeln auszudrücken.«
    Als die junge Frau ging, wirkte sie seltsam ausgelaugt und still. Wahrhaftig, es konnte eine ernüchternde Erfahrung sein, eine vollkommen neue Weltsicht zu absorbieren. Embers entdeckte eine Blase an seinem Daumen und fühlte sich davon zu einem Haiku inspiriert.
    Das Geräusch eines riesigen Schlüsselrings, der von außen gegen Casimir Radons Tür schlug, ertönte. Er schaute von den Papieren auf seinem Schreibtisch auf, und Spike, das unerlaubte Kätzchen, folgte seinem Beispiel, ging auf Alarmstufe rot und schlug ihm sechzehn Krallen in den Oberschenkel. Bevor Casimir fragen konnte: »Wer ist da?« und bevor Spike den Eindringling mit einem Sprung stellen konnte, wurde die Tür aufgeschlossen und geöffnet. Ein kleiner, gedrungener Mann, der eine beunruhigende Ähnlichkeit mit Leonid Breschnew aufwies, betrat das Zimmer.
    »Stermnator«, murmelte er und rollte die Rs auf der Zunge wie Kaviar vom Schwarzen Meer. Casimir hielt Spike mit der Hand hoch und hoffte, das Tier würde nicht entdeckt werden, worauf das Kätzchen einen Finger zwischen die Vorderpfoten nahm und ihn mit rauher Zunge ableckte.
    Hinter dem B-Mann folgte ein kleiner, drahtiger alter Bursche mit Akne, der einen Metallkanister mit einer Pumpe und einem Schlauch trug, der zu einem Ventil in seiner Hand führte. Bevor Casimir auch nur zur Antwort grunzen konnte, trat dieser Mann forsch in das Zimmer und sprühte einen dichten Nebel auf die Sockelleisten. Der B-Mann warf finstere Blicke auf Casimir, der schweigend zusah, wie der Kammerjäger durch das Zimmer ging, die Mündung an die Wand hielt und alles in der Nähe der Sockelleisten besprühte, Schuhe, Spikes Futter-und Wassernapf, eine Schreibmaschine, zwei verschiedene Socken, ein Buch und ein Ladegerät für einen Taschenrechner inklusive. Die beiden Fremden sahen sich mit verständnislosen oder mißfälligen Mienen in dem fast kahlen Raum um.
    Als Casimir endlich dazu kam, »Schon gut, ich habe seit ich hier eingezogen bin kein Ungeziefer gesehen«, zu sagen, ging der Sprüher schon zielstrebig auf ihn zu. Casimir drückte das Kätzchen an den Bauch, packte den Saum seines extra langen, sieben Jahre alten »Wall Drug«-T-Shirts, zog ihn hoch, bildete eine Schlinge für das kleine Geschöpf und verschränkte die Arme über dem Wulst, um es zu halten und zu verstecken. Gleichzeitig stand er auf und schnellte aus der Bahn des Exterminators, der gegen ihn stieß, ihn anrempelte und so aus dem Gleichgewicht brachte, daß er noch mit verschränkten Armen auf das Bett fiel. Er sprang wieder hoch, zwängte sich an dem Exterminator vorbei, stellte sich mit dem Rücken zum Zimmer ans Fenster und sah nonchalant zum Fenster hinaus auf den E-Turm draußen. Hinter ihm blieb der Exterminator an der Tür und besprühte die Gurte eines leeren Seesacks. Als Casimir das Spiegelbild der beiden Männer betrachtete, die die Tür schlossen, stieg ihm ein ekelhafter Chemikaliengeruch in die Nase. Sofort wirbelte er herum, warf Spike auf das Bett und nahm seinen Wasser-und Futternapf, um sie im Bad auszuspülen.
    Casimir hatte sein erstes nicht genehmigtes Kätzchen auf dem

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