Big U
Stockwerk über seinem gesehen, als er vergessen hatte, den Fahrstuhlknopf zu drücken. Er stieg im oberen Stockwerk aus, um eine Treppe zu Fuß hinunterzugehen, und sah einige Studenten auf dem Flur mit dem Tier spielen. Nach einigen vorsichtigen Erkundigungen stellte er telefonischen Kontakt zu einem Kätzchendealer her. Zwei Wochen später ging Casimir, der sich die Wegbeschreibung genau eingeprägt hatte, morgens um 4:15 Uhr in die Bibliothek. Er begab sich in den zweiten Stock, zog den Band Januar – März 1954 des Soviet Asphalt Journal heraus und legte zwei Zwanzigdollarscheine hinein. Danach ging er zum Periodika-Schalter, wo ihn ein kleiner, adretter Bibliothekar Mitte vierzig bediente.
»Ich möchte melden«, sagte er, »daß die Seiten 1738 bis 1752 dieses Bandes herausgerissen wurden, aber das sind genau die Seiten, die ich brauche.«
»Verstehe«, antwortete der Mann teilnahmsvoll.
»Und da ich schon hier bin, kann ich gleich ein paar Mikrofilme abholen, die ich über Fernleihe bekommen habe.«
»Ah, ja, ich weiß, wovon Sie sprechen. Einen Augenblick, bitte.« Der Bibliothekar verschwand im hinteren Teil des Büros und kehrte einen Augenblick später mit einer großen Schachtel voller Mikrofilmspulen zurück. Casimir hob sie hoch, stellte fest, daß sie ungewöhnlich leicht war, lächelte dem Bibliothekar zu und verabschiedete sich. Es war bereits ein Paß für ihn ausgestellt worden, der Wachmann am Ausgang winkte ihn nur durch. In seinem Zimmer entfernte er die obere Schicht der Mikrofilmspulen und fand auf einem Handtuch zusammengerollt ein Kätzchen, das sich gerade von der Wirkung eines schwachen Beruhigungsmittels erholte.
Seither war Spike weder schwach noch ruhig gewesen, aber das gab Casimir wenigstens etwas von der Unvorhersehbarkeit, die dem Leben im Plex so sehr fehlte. Es störte ihn fast nicht, daß mitten in der Nacht ein Kätzchen mit Höchstgeschwindigkeit durch den Hindernisparcours seines Zimmers raste, weil seine Sinne damit wenigstens etwas wahrzunehmen hatten, das nicht ganz und gar flach war. Casimir war bezaubert, obwohl Spike ständig versuchte, auf seinem Gesicht zu schlafen und kleine, wichtige Gegenstände an seltsamen Orten versteckte.
Er setzte mit einer einstudierten Bewegung seine Schneebrille auf und ging hinaus auf den Flur. Casimirs Flügel lag nur zwei Stockwerke entfernt von Verbündeten der »Wilden und Irren«, beste Partys im Plex, und zwei Samstage zuvor waren sie mit Spraydosen heruntergekommen und hatten riesige rote, weiße und blaue Räder mit zwölf Speichen zwischen jedes Türenpaar gemalt. Das waren simple Nachahmungen des »Großen Rads«, eines gewaltig großen Neonzeichens außerhalb des Plex, das die »Wilden und Irren« als Witz und Teil des Aufnahmeritus vorgeblich anbeteten. In diesem Jahr waren sie zu aggressiven Sprayern geworden, fast überall im Plex tauchten ihre »Großen Räder« auf. Casimir, der daran gewöhnt war, ging mit Spikes Schüsseln in der Hand diese Galerie enorm großer Räder entlang zum Waschraum.
Die Waschräume in den Flügeln sahen im Inneren wie Mikrowellenherde oder Dampfkochtöpfe aus: glänzende grüne Kacheln an den Wänden, grellweißes Licht an der Decke, übertrieben gewachste Böden und soviel Dampf, daß man den Eindruck hatte, als befände man sich in einer Halluzination, wenn man einen betrat. An einem Ende des Waschraums duschten drei Männer und ihre Freundinnen, tranken, brüllten durcheinander und benahmen sich ganz generell »wild und irre«. Sie drückten sich alles andere als verständlich aus, doch das meiste, was Casimir verstehen konnte, drehte sich um angelsächsische anatomische Ausdrücke und Variationen von »Was hältst du denn davon?« gefolgt von ausgiebigem Kreischen der Partnerinnen. Casimir fühlte sich versucht, einfach stehenzubleiben und zuzuhören, dachte sich dann aber, da er immer noch Jungfrau war, hätte es wenig Sinn, wenn er versuchte, etwas für Fortgeschrittene zu lernen, zumal durch Lauschen. Er ging die dichte Reihe der Waschbecken entlang, bis er eines gefunden hatte, das nicht mit Toilettenpapier oder Schmutz verstopft war.
Als er Spikes Schüsseln ausspülte, kam ein Kerl mit einem Handtuch um die Taille herein. Er sah ganz normal aus, wenn auch etwas vierschrötig, durchtrainiert und unbehaart. Er kam näher, blieb ganz dicht neben Casimir stehen und betrachtete ihn lange Zeit, als wäre er kurzsichtig; Casimir beachtete ihn gar nicht, warf aber hin und wieder einen
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