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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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und auch vor jeder Duschkabine, aus deren Türen Dampf quoll, stand eine. Breit grinsend und vor Freude kichernd packten sie sie wahrhaftig an den Armen, kreischten Spülung!, Spülung!, zerrten sie zu einer der Toiletten, drückten ihren Kopf hinein und spülten.
    Da stand sie nun, nackt, während Toilettenwasser in dünnen Rinnsalen an ihrem Körper hinunter lief, und sie standen in ihren Bademänteln da, lächelten teilnahmsvoll und applaudierten. Von allen Seiten regnete es Entschuldigungen. Irgendwie gelang es ihr, nicht zu schreien, niemanden zu schlagen; sie packte ihren Bademantel – wobei sie sich in ihrer hilflosen Wut die Hand an der Türkante der Duschkabine aufriß –, schlang ihn um sich und zog ihn so fest zu, daß sie kaum noch Luft bekam. Ihr Puls flatterte wie ein Vogel im eisernen Käfig, hyperventilierendes Kribbeln lief ihre Arme hinab bis in die Fingerspitzen.
    »Was zum Teufel ist mit euch los? Seid ihr bescheuert?«
    Sie kicherten zum überwiegenden Teil nervös und versuchten zu übersehen, wie sauer sie war. Sie ließen ihr einen gesellschaftlich akzeptablen Ausweg; sie konnte die Sache immer noch geradebiegen. Aber daran hatte sie kein Interesse.
    »Hört mir gut zu, ihr blöden Arschlöcher!« Sie ließ sich gehen, da sie nicht anders konnte. In gewisser Weise war es toll, zu brüllen, schreien und toben und ihnen Angst einzujagen; dies war der erste Kontakt mit der Wirklichkeit, den diese Frauen seit Jahren hatten. »Das ist Vergewaltigung! Ich habe das Recht, mich davor zu schützen! Und das werde ich!«
    Sie hatte die Grenze überschritten. Jetzt war es okay, Sarah zu hassen, und einige nutzten die Gelegenheit und lachten laut auf. Mari nicht. »Sarah! Herrgott, du mußt das doch nicht so ernst nehmen! Später wirst du dich besser fühlen. Wir haben etwas Punsch für dich in der Halle. Wir wollten dich nur in unseren Flügel aufnehmen. Wir wußten doch nicht, daß du so ausrasten
    würdest.«
    »Ja.«
    »Ja.«
    »Ja.«
    »Ich bitte um Entschuldigung, tut mir echt leid, aber ich werde es ernst nehmen, denn jeder, der nicht begreift, wie ernst es wirklich ist, hat große, große Probleme und muß behandelt werden. Wenn ihr glaubt, daß ihr das macht, weil es normal und lustig ist, denn benutzt ihr euren Kopf nicht besonders.«
    »Herrje, Sarah«, sagte Mari, die nicht glauben konnte, daß jemand so schräg drauf war, »es ist das Beste so. Jetzt haben wir es alle durchgemacht und sind alle Schwestern. Wir sind jetzt eine Familie. Wir haben dich nur in unseren Kreis aufgenommen.«
    »Der ganze Sinn und Zweck dieser Universität besteht nicht darin, daß man herkommt und dann genau wie alle anderen ist. Ich bin nicht so wie ihr, werde es nie sein und will es auch gar nicht sein, ich will keine Schwester sein, ich will mit euren Aktivitäten nichts zu tun haben, ich will nur einen anständigen Platz zum Leben, wo ich Sarah Jane Johnson sein kann und nicht gleichgeschaltet werde von einer Bande … kleiner Puderquasten-Terroristinnen … die Andersartigkeit nicht ertragen können, weil sie zu dumm sind, sie zu verstehen! Was geht in euren Köpfen vor sich? Habt ihr noch nie die Vielfalt der … der Natur bemerkt? Hört auf zu lachen. Glaubt ihr, das hier ist komisch? Wenn ihr das noch einmal macht, wird jemand euch sehr, sehr weh tun.« Sie betrachtete die kleinen Blutstropfen auf dem Boden, die von ihrer Hand herabtropften, und fühlte sich plötzlich geläutert. Sie ballte die Faust und hielt sie hoch. »Kapiert?«
    Ihr ungestümer Zorn hatte sie amüsiert. Nun waren sie ängstlich und betroffen und ihr Make-up lag auf der blassen Haut wie Blut auf Schnee. Die meisten liefen hysterisch erschrocken davon.
    »Würg mich grün!«
    »Kotz mich blau!«
    Mari wandte den Blick von dem Blut ab. »Na ja, schon gut, wenn du das alles aufgeben willst. Aber ich finde nicht, daß es wie Vergewaltigung ist. Ich meine, wir kreischen alle eine Menge und so und wollen echt nicht, daß sie es machen, aber wenn sie es machen, ist es eben doch ein großer Spaß. Für uns ist es einfach nur wild und aufregend, und den Jungs hilft es, Dampf abzulassen. Weißt du, was ich meine?«
    »Nein! Verschwinde! Versaut mir mein Leben nicht!« Das war eine Lüge – sie wußte genau, was Mari meinte. Aber ihr war gerade klar geworden, daß sie nie wieder so denken konnte. Mari schwebte traurig schniefend hinaus. Sarah war wieder allein, wusch sich die Haare noch einmal (obwohl es keine »schmutzige Spülung« gewesen

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