Big U
im Bunker übernommen und verbrachte soviel Zeit dort, daß er einen Schlafsack im Schrank aufbewahrte, damit er gegebenenfalls übernachten konnte.
An diesem Abend – Tag Drei – hatte er sechs Ratten gefunden, die sich in seiner Kastenfalle in der Nähe der Mensa drängelten. Den Giftmengen nach zu urteilen, die in diesem Areal ausgelegt worden waren, schien es sich um höchst resistente Vertreter ihrer Art zu handeln. Im Labor zog er dicke Handschuhe an, machte die Falle auf, zwang sich, eine Ratte zu packen, zog sie heraus und klappte den Deckel wieder zu. Dies war ein Physik-, kein Biologielabor, und seine Methoden nicht eben zartfühlend. Er drückte die Ratte auf die Arbeitsplatte und versetzte ihr mit einem Stück Kupferrohr einen lähmenden Schlag, dann hielt er sie unter Wasser, bis sie tot war.
Er legte sie auf ein bloßes Brett und legte einen Lexikonband vor sich, den er in der Bibliothek gestohlen hatte, aufgeschlagen auf der Seite, die die schematische Darstellung der Anatomie einer Ratte zeigte. Er hielt das Buch mit einem Stück eines Strahlenschutzschilds aus Blei aufgeschlagen, nahm ein Skalpell zur Hand und machte sich an dem winzigen Tier zu schaffen. Nach zwanzig Minuten hatte er die Leber herausoperiert. Eine Stunde später hatte er sechs Rattenlebern in einem Becherglas und sechs in Plastik gewickelte leberlose Rattenkadaver im Mülleimer liegen. Er schüttete die Lebern in einen Mörser, zerdrückte sie zu Brei, goß Alkohol darauf und filtrierte die so entstandene Brühe, bis sie klar war.
Am nächsten Morgen stattete er dem naturwissenschaftlichen Workshop einen Besuch ab, wo Virgil Gabrielsen einen Chromatographen vorbereitete, der Casimir sagen würde, welche Chemikalien sich in dem Rattenleberextrakt befanden. »Wir sind bereit für deinen geheimnisvollen Test«, sagte Virgil.
»Ich hoffe, es macht dir nichts aus.«
»Ich arbeite gern mit verrückten Wissenschaftlern – wird nie langweilig. Was ist das?«
»Größtenteils Ethylalkohol – aber diese Maschine wird deine Frage beantworten, wenn sie funktioniert.«
Wenige Stunden später hatten sie das Ergebnis: einen Papierstreifen, auf den die Maschine Linien gekritzelt hatte. Virgil verglich die Kurven mit ähnlichen aus einem langen dünnen Buch.
»Scheiße«, sagte Virgil und ließ, was selten vorkam, einmal Überraschung erkennen. »Ich hätte nicht gedacht, daß etwas mit soviel Talphen in seinen Eingeweiden überleben könnte! Talphen! Diese Viecher haben ein unglaubliches Immunsystem.«
»Was ist das? Ich habe keine Ahnung von Chemie.«
»Der Handelsname für Talliumphenoxid.« Virgil verschränkte die Arme und sah zur Decke. »In Gefährliche Eigenschaften industrieller Substanzen, meiner liebsten Bettlektüre, steht folgendes über Thalliumverbindungen. Ich fasse zusammen: »Wird in Rattengift und Enthaarungsmitteln verwendet … führt zu Schwellungen in Füßen und Beinen, Gelenkneuralgie, Erbrechen, Schlaflosigkeit, Hyperästhesie und Parästhesie an Händen und Füßen, geistiger Verwirrung, Polyneuritis mit starken Schmerzen in Beinen und Lenden, teilweiser Lähmung und Verkümmerung der Beine, Angina, Nierenentzündung, Siechtum, Schwäche … totalem Haarausfall … ha! Es wurden Fälle von Vergiftung mit Todesfolge aktenkundige«
»Ohne Scheiß!«
»Unter Phenolen haben wir … ›wenn nicht mit sofortiger Todesfolge, dann Schädigung von Nieren, Leber, Bauchspeicheldrüse, Milz; Lungenödeme, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, getrübte Sicht, Bewußtlosigkeit, Erbrechen, starke Unterleibsschmerzen, Verätzungen von Lippen, Mund, Rachen, Speiseröhre und Magen …‹«
»Okay, ich habe verstanden.«
»Und damit sind wir noch längst nicht bei den Synergieeffekten. Diese Ratten fressen das Zeug ständig.«
»Also haben sie eine Menge Rattengift intus, diese Ratten.«
»Mir kommt es so vor«, sagte Virgil, »als lebten sie davon. Aber, wenn du mir die Neugier gestattest, warum interessiert dich das?«
Casimir war ein wenig verlegen, aber da er Virgils Geheimnis kannte, schien es ihm nur recht und billig zu sein, sein eigenes preiszugeben. »Damit Projekt Spike funktioniert, müssen sie jede Menge Rattengift fressen. Ich werde Rattengift von den Böden sammeln und es in Sharons Labor einer Quelle langsamer Neutronenstrahlung aussetzen. Das ist ein kleines Stück eines Berylliumisotops auf einem Stückchen Plutonium, alles dicht mit Paraffin abgeschirmt – sieht aus wie ein Mülleimer auf Rädern. Paraffin
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