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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Wand und erweiterte mühselig einen Riß, den er schon in der ersten Semesterwoche begonnen hatte. Vor meinen Augen war er gerade dabei, die Tür von Kleins und Fenricks Zimmer einzuschlagen; laute, erstickende Musik schwallte wolkengleich mit Mach 1 den Flur hinab und traf mich mitten ins Gesicht.
    Ich rannte los. Als ich dort ankam, hatte Angel bereits Fenricks langes Verlängerungskabel um den Türknauf geschlungen, stemmte einen Fuß gegen die Tür und riß es in einem Regenschauer von blauen Funken und Flammen entzwei. Das Verlängerungskabel erzeugte einen Kurzschluß, bis die Sicherungen die gesamte Stromversorgung der öffentlichen Bereiche des Flügels lahmlegten. AC/DC verstummten und ebneten den Weg für den Höhepunkt der Fuge. Angel ging an dem versteinerten Ephraim Klein vorbei, grapschte nach dem Kassettenrekorder und versuchte, das Band in die Finger zu bekommen. Da ihm das mit den Boxhandschuhen nicht gelang, drehte er sich um und holte zu einem kräftigen Tritt gegen den Kegel des Subwoofers aus, als ich endlich zur Stelle war und ihn auf eines der Betten schubste. Angel entspannte sich, richtete sich auf, schlug ab und an seine hellroten, von Schlackesteinspuren gezeichneten Boxhandschuhe mit einem saftigen Tschak gegeneinander, schwitzte wie jeder andere Boxer auch und warf dem »Go Big Red«Ventilator wütende Blicke zu.
    Die Fuge war zu Ende, und Ephraim schaltete das Band aus. Ich ging zur Tür und machte sie zu. »Okay, Jungs, höchste Zeit für ein ernstes Gespräch. Es möchten doch alle ein ernstes Gespräch, oder?«
    John Wesley Fenrick sah bereits gelangweilt zum Fenster hinaus und nickte fast unmerklich. Ephraim Klein sprang auf die Füße und rief:
    »Aber klar, jederzeit! Ich bin gern vernünftig!« Angel, der die Verschnürung des rechten Boxhandschuhs mit den Zähnen öffnete, murmelte: »Ich rede seit zwei Mona-ten auf sie ein, aber das kümmert die einen Scheißdreck.« »Hmm«, sagte ich, »ich finde, damit ist alles gesagt, oder nicht? Wenn ihr beiden nicht vernünftig sein wollt, dann muß Angel auch nicht vernünftig sein. Mir scheint, ihr beiden braucht ein festes Regelwerk, an das ihr euch bei Streitigkeiten wegen der Stereorechte halten könnt. Wenn zum Beispiel einer der Jungs pinkeln
    geht, darf sich der andere nicht die Lufthoheit aneignen. Ihr dürft das Eigentum des anderen nicht anfassen, und so weiter. Ephraim, gib mir deine Schreibmaschine, dann halten wir das alles schriftlich fest.«
    Und so legten wir die Regeln fest und ich klebte sie an die Wand, genau auf der Grenzlinie des Zimmers. »Bedeutet das, ich muß mich nur an die Regeln auf meiner Hälfte der Seite halten?« fragte Fenrick, daher nahm ich sie wieder ab und fügte eine weitere Regel hinzu, die besagte, daß es sich hierbei lediglich um die getippte Darstellung abstrakter Regeln handelte, die ohne Rücksicht darauf Gültigkeit besaßen, wo die getippten Repräsentationen befestigt wurden. Dann ließ ich die beiden den Regelkanon unterschreiben und ließ durchblicken, daß ich keine Ahnung hatte, wozu Angel fähig sein würde, wenn sie noch einmal einen derartigen Lärm veranstalten würden. Danach gingen Angel und ich auf mein Zimmer und tranken ein paar Biere zusammen. Recht und Gesetz und die Hoffnung auf etwas Stille und Ordnung hatten Einzug in unseren Flügel gehalten.
     
    NOVEMBER
     
    Fred Fine überlegte gerade, ob er seinen letzten taktischen Atomsprengkopf auf Nowosibirsk oder Tomsk abwerfen sollte, als ein hektischer Pleb hereingehüpft kam und die Simulation mit einer Nachricht der Priorität fünf unterbrach. Natürlich handelte es sich um Priorität fünf; wie sonst hätte ein Pleb es wagen können, Fred Fines Marsch zum Ob zu stören?
    »Fred, Sir«, keuchte er. »Komm schnell, du wirst es nicht glauben.«
    »Worum geht es?«
    »Dieser Neue. Er ist kurz davor, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen!«
    »Echt? Aber ich dachte, er spielt die Achsenmächte!« Fred Fine ging an dem Pleb vorbei ins Nebenzimmer. In der Mitte hatte man zwei Tischtennistische zusammengestellt, damit die achtteilige Karte des Zweiten Weltkriegs darauf Platz hatte. Auf der einen Seite stand der große, adlergleiche Virgil Gabrielsen – der »Neue«
    – auf der anderen trat Chip Dixon von einem Fuß auf den anderen und schnippte unablässig mit den Fingern. Da dies sein erstes Kriegsspiel überhaupt war, war Virgil immer noch Gefreiter und im Status eines Plebs. Chip Dixon, ein Oberst, spielte seit sechs Jahren und

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