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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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hält langsame Neutronen auf, weißt du. Jedenfalls, wenn ich das Rattengift den Neutronen aussetze, wird ein Teil des Kohlenstoffs in dem Gift zu Kohlenstoff-14. Kohlenstoff-14 wird zum Markieren benutzt, daher wird es jede Menge Apparate geben, um kleine Mengen davon aufzuspüren. Auf jeden Fall lege ich dieses markierte Gift in der Nähe der Mensa aus. Dann untersuche ich Proben des Mensaessens nach ungewöhnlich hohen Spuren von Kohlenstoff-14. Wenn ich erhöhte Werte bekomme …«
    »Dann heißt das, Ratten im Essen.«
    »Entweder Ratten, oder ihre Haare oder Ausscheidungen.«
    »Das ist klasse Material für eine Erpressung, Casimir. So was hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
    Casimir sah erschrocken und verwirrt zu Virgil auf. Nach einigen Augenblicken schien er zu begreifen, was Virgil meinte. »Oh, ja, das kann schon sein. Aber mich interessiert Erpressung nicht. Würde mir nichts bringen. Ich will das nur durchziehen und die Ergebnisse veröffentlichen. Auf die Herausforderung kommt es an.«
    Virgils Gesicht zeigte ein seltenes breites Grinsen. »Verdammt gut, Casimir. Das ist super. Gute Arbeit.« Er dachte darüber nach und war regelrecht verliebt in die Vorstellung. »Du wirst die größte Knarre im gesamten Plex haben, weißt du.«
    »Darum geht es mir bei diesem Projekt nicht.«
    »Laß mich wissen, wenn ich behilflich sein kann. He, möchtest du runter zu Denny’s, was essen? Ich möchte nicht in der Mensa essen, während ich über die Art deines Experiments nachdenke.«
    »Nach dem, was ich gerade gemacht habe, möchte ich überhaupt nicht essen«, sagte Casimir. »Aber vielleicht können wir später unsere eigenen Lebern in Ethanol auflösen.« Er goß den Rattenextrakt in einen Gefahrgutbehälter und spülte den Inhalt hinunter, dann gingen sie hinaus.
    Und damit niemand einen falschen Eindruck bekommt, hier eine Erklärung: Ich wußte nichts davon, während es vor sich ging. Sie erzählten mir später davon. Die Leute, die behaupten, daß ich eine Mitschuld an den späteren Ereignissen trage, kennen die Fakten nicht.
    »Wie kommst du darauf, daß du einfach so eine Platte abspielen kannst?« fragte Ephraim Klein mit gereizter Stimme. »Ich höre mir Cembalomusik an.«
    »Oh«, sagte John Wesley Fenrick in aller Unschuld. »Hab ich gar nicht gehört. Ich schätze, meine Ohren haben unter all meiner schrecklichen Musik gelitten, was?«
    »Sieht ganz so aus.«
    »Macht aber nichts. Ich werde keine Platte abspielen.«
    »Das hoffe ich.«
    »Ich werde ein Band abspielen.« Fenrick strich mit den Fingern über eine unsichtbare Region der Anlage; Lichter gingen an und Skalen schossen auf und ab. Allein die Stille, die diese Anlage erzeugte, reichte schon aus, um das Cembalo, ein restauriertes preußisches Modell von 1783 mit dem exquisitesten Nasalregister, das Klein je gehört hatte, fast zu übertönen. Fenrick schaltete den »Go Big Red«-Ventilator ein, der wie gewöhnlich vor sich hin schepperte.
    »Hör mal«, sagte Ephraim Klein, »ich sagte, ich spiele gerade etwas. Du kannst nicht einfach dazwischenfunken.«
    »Hm«, sagte John Wesley Fenrick, »ich sagte doch, ich kann nichts hören. Wenn ich keinen Beweis dafür höre, daß du etwas abspielst, sehe ich keinen Grund, weshalb ich dir das einfach glauben sollte. Dein Sinn für Realität scheint mir leicht gestört zu sein.«
    »Blödmann! Arschloch!« Aber Klein hatte bereits eines seiner »Kriegsbänder« hervorgeholt, »Toccata und Fuge in D-Moll« in der Darbietung von Virgil Fox (»Horror-Film-Musik« sagte Fenrick dazu), und legte es in sein eigenes Kassettendeck ein. Er schaltete den Rekorder ein und machte sich bereit, beim ersten offensiven Vorgehen Fenricks von PHONO auf TAPE umzuschalten.
    Das ließ nicht lange auf sich warten. Fenrick hatte in letzter Zeit eine Heavy Metal-Nostalgie entwickelt und eröffnete den Wettstreit mit Black in Black von AC/DC. Klein ließ Fenricks Hände nicht aus den Augen und konnte gerade noch einen winzigen Vorsprung herauskitzeln – der Organist spielte den hohen Mordent zu Beginn des Stücks, doch die anschließenden zarten Töne wurden von Black in Black in den akustischen Staub gestampft.
    Von da an nahm der Wettstreit seinen typischen Verlauf. Dreißig Meter entfernt den Flur hinab steckte ich den Kopf zur Tür hinaus und sah nach. Angel, der hünenhafte Kubaner, der auf dem Stockwerk wohnte, stand schon seit rund einer halben Stunde auf dem Flur, schlug mit den Boxhandschuhen wütend gegen die

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