BIGHEAD - Ein brutaler, obzöner Thriller (German Edition)
tut mir leid«, antwortete Charity, das Kinn auf die Hand gestützt. »Ich war gerade in Gedanken.«
Der Barkeeper brachte zwei neue Biere, dann nahm er Jerricas Aschenbecher mit, in dem sich mittlerweile ein Berg Kippen türmte. Als er das tat, beugte sich Jerrica blinzelnd vor. »Was zur Hölle ist ...«
»Was?«, fragte Charity.
Jerricas Finger berührten die Theke, die Stelle, an der der Aschenbecher gestanden hatte. »Was ist das?«
Charity sah genauer hin. Da steht etwas, erkannte sie. Wörter waren in das lackierte Holz geritzt – ohne Frage mit einem Messer –, eine Art Graffito. »Ich kann es nicht entziffern«, gab Charity zu.
Jerrica sah noch genauer hin. »Da steht: ›Bighead war hier‹. Und das ist komisch. Irgendjemand hat auf der Toilette was Ähnliches geschrieben, an die Kabinentür. Wer zur Hölle ist Bighead?«
Bighead? Charitys Augen verengten sich und ganz schwach dämmerte etwas in ihrem Gedächtnis. Die Erinnerung schien Millionen Meilen entfernt zu sein. »Ich glaube, es ist eine Art lokale Legende.«
»Du meinst, so was wie ›Kilroy war hier‹?«
»Nein, eher so was wie ein einheimisches Schreckgespenst. Ich erinnere mich an die Geschichten aus meiner Kindheit.«
Jerricas Augen strahlten Begeisterung aus. »Erzähl mir davon. Ich kann es für meinen Artikel gebrauchen.«
Charity zuckte leicht mit den Schultern, sie war etwas benommen von dem Bier und ihren Selbstbetrachtungen. »Ich kann mich kaum daran erinnern, es ist so lange her. Es geht um ein Monsterkind, das irgendwo in den Wäldern lebte. Es hatte einen riesigen kahlen Kopf und krumme Zähne und angeblich war es ein Kannibale. Es ist einfach nur eine Geschichte, die Eltern ihren Kinder erzählen, um sie zu erschrecken. Du weißt schon: ›Sei brav, sonst holt dich Bighead‹. Im Laufe der Zeit entwickelte sich daraus ein regionaler Mythos.«
»Das is’ kein Mythos, Mädchen, das kann ich Ihn’ sag’n.« Das Gesicht des Barkeepers kam näher, als er den ausgeleerten Aschenbecher abstellte.
»Tatsächlich?«, fragte Jerrica. »Erzählen Sie uns von diesem Bighead!«
Sein altes Gesicht verhärtete sich, ein Auge zog sich zusammen. »Is’ aber keine schöne Geschichte. Is’ eigentlich nix für die Nerven von Citygirls.«
Jerrica forderte ihn mit einem listigen Lächeln heraus. »Versuchen Sie’s.«
Eine Pause, eine Hand strich über seinen Schnurrbart, dann begann der Barkeeper: »Das’s lange her, müssen Sie wissen, aber er kam aus ’n Wäldern. Keiner wusste, wer seine Eltern war’n, wollt’ aber auch keiner wissen, weil Bighead das hässlichste Kind war, das man sich vorstell’n konnte. Ich hab’ ihn mal gesehn und es stimmt.«
Jerrica hatte offensichtlich ihren Spaß. »Sie haben ihn gesehen? Sie haben Bighead gesehen?«
»Genau, Mädchen, und ich wünschte, ich hätt’s nie getan. Er trug alte Lumpen als Klamotten und man konnt’ ihn aus hundert Metern Entfernung riechen, ich schwör’s. Man wusste immer, wann er in der Nähe war, weil’s im Wald dann still wurde. Na, jedenfalls nannten sie ihn Bighead, weil er ’n riesig großen Kopf hatte, doppelt so groß wie normal, und er hatte nich’ ein Haar drauf, und seine Augen – heilige Scheiße! Die Augen von Bighead war’n groß und schief und standen dicht zusamm’, die sah’n aus wie hart gekochte Eier, aber eins war groß und eins war klein. Und seine Zähne! Er hatte ’n Mund voll Zähne, die wie Hundezähne aussah’n, und das is’ wirklich wahr, das kann ich Ihn’ sagen, weil ich ihn, wie gesagt, selbst gesehn hab. Ich hab’ ihn gesehn, wie er Hirschinnerein gefuttert hat auf ei’m von den Sojafeldern bei Luce Creek.«
»Igitt!«, sagte Jerrica leicht erblassend. »Hirschinnereien?«
»Klar«, grinste der Alte. »Bighead mochte Innerein, genauso wie Hirn. Fraß es roh!«
»Ach, kommen Sie!«, sagte Jerrica.
»Is’ echt wahr, ich schwör’s.« Der Barkeeper goss sich ein Glas Whiskey ein und kippte es in einem Zug herunter. »Und ’s warn nich’ nur Tiere, die er fraß – auch Menschen. ’s war nach ’ner Woche oder so, nachdem Bighead losgelegt hatte. Die Leute fanden immer mehr Vieh, das abgemurkst und ausgeweidet war. Wir dachten erst, ’s wär ’n Wolf oder so, auch wenn’s hier seit hundert Jahren oder so keine Wölfe mehr gab. Und dann fanden wir nich’ nur Vieh, das abgemurkst war. Auch Leute aus der Gegend, alle aus ’m Norden der Stadt, in der Nähe vom Nordkamm. Kath Shade, Vera Abbot, Vicki Slavik und ihr
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