Biker's Barbecue (German Edition)
Allen Gesetzen der Natur zum Trotz hat hier der unerbittliche Kampf zwischen Maisfeldern und menschlichen Siedlungen bis heute keinen Sieger hervorgebracht. Das Symbolbauwerk „Wasserturm“ hat deshalb für uns, seit wir den Mississippi überquert haben, eine wichtige Funktion bekommen: „Wasserturm“ bedeutet in einer Umgebung wie dieser so viel wie Zivilisation, Supermarkt und Restaurant. Wassertürme sind Oasen-Wegweiser. Sie spenden all jenen Hoffnung, die durch Iowas heiße, endlose Maiswüste reiten.
Der Turm vor Thompson gab uns diese Hoffnung schon aus einer Entfernung von sieben Meilen. Nur, dass er zunächst nicht und nicht näher kommen wollte. Stattdessen flimmerte er blässlich blau am Horizont – mit allen Anzeichen einer Fata Morgana.
28.
Ich spiele mit der Zeit.
Ich hab genug davon! Hansi Lang
Debbie hat eine angenehme Art, einen aus dem Schlafsack zu prügeln: Sie kommt vom Nachbarhaus mit Pancakes, selbst gemachter Erdbeermarmelade und Ahornsirup zu uns herüber. Obwohl es noch mitten in der Nacht sein muss (warum würden wir wohl sonst die Augen nicht aufbekommen?), hauen wir ordentlich rein. Selbst Mike, der es als Bauer gewohnt sein sollte, mit den Hühnern aufzustehen, ist um diese Uhrzeit noch nicht cooler Farmer, sondern bloß braves Debbie-Söhnchen.
Einem von uns beiden ist gestern rausgerutscht, dass wir gerne mal ein richtiges amerikanisches Stock-Car-Rennen erleben würden (verbeulte Fords und Chevys schubsen sich gegenseitig um einen schief nach innen hängenden Rundkurs). Und: Wie es der Zufall so will, findet ausgerechnet heute Abend 60 Meilen nordwestlich von hier in einer Stadt namens Fairmont eine solche Schubspartie statt. Der Zufall will es auch, dass sich eben dort der Thompsoner Lokalmatador Troy Swearingen (wir hatten das Vergnügen, ihm gestern Abend im „Branded Iron“ persönlich die Hand zu schütteln) die Ehre geben wird.
Jaja, mit dem Zufall ist das so eine Sache. Debbies Mann war in seinem früheren Leben Stock-Fahrer. Wir haben also wieder einmal wahnsinniges Schwein – jetzt können wir uns das Rennen vielleicht sogar noch aus dem Fahrerlager anschauen! Der Plan ist damit perfekt: Wir radeln nach Fairmont (was wohl den ganzen Tag dauern wird) und Debbie kommt am Abend per Auto nach (was wohl in etwa eine Stunde dauern wird), um uns pünktlich um 19 Uhr auf die Rennstrecke zu schleusen.
Es ist mal wieder sauheiß. Nach 30 Meilen legen wir in Swea City eine Mittagspause ein. Am städtischen Swimmingpool kommen wir dabei nicht vorbei, für ausgiebige Planschereien fehlt uns heute allerdings die Muße. So lagern wir stattdessen kurzerhand im angrenzenden Park unter einem Baum und sehen uns das kühle Nass aus der Entfernung an.
Unser Kontakt mit den Einheimischen von Swea City beschränkt sich auf eine äußerst kleinkarierte und eine geradezu historische Szene: 1. Stefan fängt sich die Rüge eines Passanten ein („The Toilets are over there!“), als er sich mitten im Park an einer Pappel vergeht. (Wohin pinkeln in Amerika eigentlich die Hunde?) 2. Ein kleiner Junge namens Dave schaut mir aus sicherer Entfernung auf seinem Kinderklapprad beim Justieren der Gangschaltung zu und sagt schließlich mit allem ihm zu Gebote stehenden Mut: „That’s a nice bike!“ Ich lächle Dave freundlich an und erwidere respektvoll: „Yours isn’t bad either!“ – Wer weiß, vielleicht wird der Junge einmal ein bedeutender Radfahrer wie Eddie Merckx oder Miguel Indurain: „Der große Dave aus Swea City!“ Und ich war dann möglicherweise seine Schlüsselfigur.
Nachdem wir uns im Schatten ein bisschen abgekühlt haben, hält uns nichts mehr: Auf nach Fairmont. Mit soliden 12 mph geht es weiter nach Westen. Die rechtwinklig verlaufenden Straßen und ihre Beschilderungen erinnern schon sehr an New Yorks Manhattan („254 th Street“, „255 th Street“, „256 th Street“). Natürlich, damals zur Gründerzeit war ja die Kurve noch nicht erfunden, und Stars gab’s auch keine, nach denen man die Straßenzüge hätte benennen können (so wie „John F. Kennedy Drive“ oder „Elvis Presley Boulevard“).
Als wir an der nächsten Ecke einen Haken nach Norden schlagen, auf einmal eine unerwartete Erkenntnis: Ach, daher weht der Wind! Anstatt wie bisher mit 12 mph sind wir nun plötzlich mit 25 Meilen unterwegs.
Wir fliegen dahin. Dafür steht uns jetzt auf einmal der Schweiß auf der Stirn. Logisch, wenn man in „Windeseile“ unterwegs ist, dann ist das
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