Biker's Barbecue (German Edition)
Lange, unberechenbare Längsrillen simulieren gefährlichen Seegang auf der Fahrbahn und wechseln sich spielerisch mit scharfkantig aufgeplatzten Bodenwellen ab.
Als sich nach einer Kurve der Yellowstone Lake vor uns ausbreitet, haben wir es endlich geschafft: Der Baustellenbereich liegt hinter uns. Aber es dämmert bereits. Wunderschön, die riesige Seenlandschaft im weichen, rötlichen Abendlicht. Links der Yellowstone Lake, rechts ein morastiger Sumpf, überzogen mit einem lilafarbenen Meer aus Blumen. Vor uns, auf der schmalen Straße, nur noch kleine Schlaglöcher. Keine große Sache. Wir rollen bei 20 mph gemütlich dahin.
Als mir eines dieser kleinen Schlaglöcher plötzlich auf meiner Spur entgegenkommt, weiche ich natürlich nach rechts aus: Auf der Kühlerhaube irgendeines zufällig überholenden Autos mag ich schließlich auch nicht sitzen. Was im Dämmerlicht wie der leicht abgeschrägte Rand jeder guten amerikanischen Durchschnittsstraße aussieht, erweist sich jedoch als loser Teer und Rollsplitt.
Während das Rad in Richtung Sumpf abrutscht, trifft mich blitzartig die Erkenntnis, dass es so nicht weitergehen kann: Instinktiv stemme ich mich dagegen. Und krache im nächsten Moment auf die Straße. Ganzkörperbremsung. – Die Handschuhe hatte ich eigentlich nur zufällig an. Das Leder ist aufgerissen. Zwei Bananen dienen als Airbag und sehen nachher aus wie Babybrei. Ein Arm und ein Knie sind aufgeschürft – das Blut versickert in der Lehmschicht von vorhin. Schaltung und Lenkstange sind verbogen, die Lampe ist abgebrochen, der Sattel aus der Verankerung gerissen.
Der erste zusammenhängende Gedanke: Schwein gehabt – nicht nur, was unsere bisherige Reise betrifft, sondern auch gerade eben. Schlagartig wird mir bewusst, an welch seidenem Faden unser Abenteuerluftschloss eigentlich hängt. Aber das Luftschloss hat den Sturz unversehrt überstanden.
Geländeprüfung, letzter Teil (hoffentlich!): Ich hab mit 1– bestanden, hatte allerdings auch Kotflügel, um das Übelste abzuwenden. Stefan sieht dafür aus wie eine Sau (bestenfalls 3+). Bei dem Sturz unten am See ist wohl selbst den Grizzlies im Wald der Appetit vergangen. – Habe selten so viele Touristen so blöd gaffen sehen.
Notdürftig wird das Rad fahrtauglich gemacht. Immerhin wird in einer halben Stunde die Straße gesperrt. Wir müssen es trotzdem schaffen. Nach wenigen Metern auch noch Schneefall – nein, kleine Fliegen. – Tausende. Die nächste Panierschicht.
Ich komme mir vor wie geteert und gefedert.
Als wir endlich den beschriebenen Campingplatz erreichen, ist er erstens voll und zweitens nur für Campingwagen- und Trailertouristen: „No tents!“ – Auch das Argument, dass wir eh kein Zelt dabeihaben und außerdem ärztliche Versorgung bräuchten, bewegt kein Rangerherz. Hier sind eben Touristenprofis am Werk und keine zart besaiteten Provinz-Eierköpfe, die man einfach mit irgendeiner fadenscheinigen Masche weich kochen kann. Also ab mit euch, Jungs. Und wehe, ihr schafft die vier Meilen zum Zeltplatz nicht, bevor die Straße gesperrt wird und es stockfinster ist, dann … – Was dann, eigentlich?
Wir hetzen weiter. Kommen sogar rechtzeitig an – nur um zu erkennen: Es gibt hier keine Duschen! Wenn wir uns waschen wollen (aber welcher normale Mensch will das schon?), dann müssen wir noch mal kurz vier Meilen die Straße runter. Da ist nämlich der Trailer-Campingplatz. Und dort gibt es Duschen – sogar warme! Aber inzwischen ist es fast schon dunkel.
Yellowstone ist zwar bildschön, aber meine schlimmsten Befürchtungen haben sich bewahrheitet: Die Organisation des Nationalparks ist auf Massentourismus ausgelegt, fahrradfeindlich und somit einfach beschissen!
Heute kann ich’s wieder: Eben noch beim Mud-Wrestling im Straßengraben, jetzt schon hier auf der Herrentoilette. Mit lauteren Absichten besteige ich ein Waschbecken, kratze einen Teil des Drecks aus den Wunden und desinfiziere mit einem Spraypflaster.
Offiziell ist auch der Zeltplatz schon voll, allerdings gibt es für so unangemeldete Typen wie uns noch ein kleines Kontingent an Rasenflächen. Wenig später zeigt man uns eine mögliche Bettstatt: Ein Fleckchen Gras direkt an der Platzstraße. Miete: 60 Dollar pro Quadratmeter (zum besseren Vergleich auf einen Monat hochgerechnet); teurer als auf der Kärntner Straße in Wien. – Außerdem kreisen Schwärme von Moskitos wie Geier über uns.
Sachliches, illusionsloses Grübeln
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