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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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und das Licht der untergehenden Sonne jenen eigentümlichen Rosaschimmer weben, der noch lange an den Häusern zu haften scheint und die stolzen Fronten, bis tief hinein, wie die Gipfel eines Berges färbt. Gerade vor mir steht die Siegessäule – von allen Siegesdenkmalen Berlins, wenn nicht das künstlerisch untadelhafteste, so doch dasjenige, welches am meisten uns gehört – uns, den Lebenden, unsere Säule, »la colonne«, die Säule von Berlin, wie die des Vendômeplatzes die Säule von Paris. Jetzt, wo der Purpur des Abends über sie strömt, glüht die Schlachtenjungfrau dort oben vom Scheitel bis zur Zehe; der Helm lodert, die Standarte blitzt, das eiserne Kreuz strahlt, und ihr Lorbeerkranz blüht wie von hineingeflochtenen Feuerlilien, während die flammenden Flügel sich weit spannen, als bedürfe es nur des leisesten Anstoßes, und der Fußhebt sich von der Kugel, und sie wird aufs neue fliegen – gegen Westen – gegen Osten ... wer weiß es? Und wer durch die Siegesallee geht, dem flimmert es vor den Augen von Gold und Farben, von Erz und Marmor, bis er – fast geblendet – beim Näherkommen über dem funkelnden Unterbau von poliertem Granit und in dem dreifachen Gürtel vergoldeter Kanonen die Trophäen dreier Feldzüge unterscheidet. Dreimal haben diese Kanonen gedonnert und in sechs Jahren der Welt im allgemeinen und diesem Königsplatz insbesondere ein anderes Aussehen gegeben – bunte Siegesmosaiken, wo früher nichts oder, ärger als das Nichts, wo Sand und Wüstenei war, metallene Reliefs, eine ganze Walhalla von Heldengestalten im preußischen Waffenrock. Leben von unserm Leben, Blut von unserm Blut. Und sammetne Rasenflächen ringsumher, so weich und grün, so sanft beschienen von der Abendsonne, Teppichbeete mit Blumen und Pflanzen in brennendem Rot und ernstem Braun und lichtem Blau, blühendes Gebüsch, zwei Springbrunnen – hier Raczinsky, Im Frühling 1884 ist das allen Berlinern so wohlbekannte kleine Palais niedergerissen worden, und auf dem weiten Terrain erheben sich jetzt schon (August 1885) die Grundmauern des Reichstagsgebäudes, zu welchem hier am 9. Juni 1882 in feierlicher Weise der Grundstein gelegt ward. dort Kroll, vor mir das aristokratische Quartier, das Generalstabsgebäude, wo Moltke wohnt, das Palais des Herzogs von Ratibor, die Bismarck-, die Moltkestraße, das Oktogon des Panoramas von Gravelotte und St.-Privat – und im Hintergrunde die stille, dämmernde Masse des Tiergartens.
    Unter dem Torbogen von Kroll werden schon die frühen Lämpchen angezündet, welche mit ihrem matten Licht wie gelbe Punkte auf dem Goldgrund des Abendhimmels stehen. Sie werden heller, je mehr der Tag verblaßt; Kroll am Abend gehört den Fremden, und nur am Sommermorgen, in den frühen Stunden von sechs bisacht, gehört er uns, den Berlinern. Dann wird hier Brunnen getrunken – eine sehr ernste Affäre bei Krolls. Dann lustwandelt hier unter den Bäumen eine bedächtige Schar von Männern und Frauen, mit Bechern in den Händen oder mit Henkelgläsern, in welchen Karlsbader Sprudel dampft oder Marienbader Kreuzbrunnen perlt; da und dort auf dem Tische steht noch von gestern ein Bierseidel, an den Bäumen prangen große rote Zettel: »Theodor Wachtel in den Hugenotten« – dazwischen kleinere weiße: »Sherry-Cobbler« und »Erdbeer-Bowle«, und hinten an der Mauer sitzt ein langes Plakat. In den Beeten stehen die Blechtulpen und die Blechpelargonien und ein Storch von Blech, und über uns die weißen Glaskuppeln blinzeln, als ob sie sich den Schlaf noch nicht aus den Augen gewischt hätten, während wir unablässig und nüchtern auf und ab promenieren mit der gesetzten Miene von Kurgästen, die alle paar Minuten die Uhr herausziehen und an nichts denken als an den guten Kaffee, der sie erwartet, wenn sie ihr Werk getan. Aber es ist Abend, und andere gute Dinge stehen uns bevor. Kommt nur, folgt mir; wir gelangen, wenn auch auf Umwegen, schon ans Ziel. Ich bin nicht einer von denen, die sogleich, nachdem sie vor die Türe getreten, sich wieder setzen müssen und nach dem Kellner rufen. Ich liebe die Ordnung; alles zu seiner Zeit. Ich habe gesagt, daß ich konservativ sei; doch ich ehre die Verfassung und lasse mich nicht abbringen, weder nach rechts noch nach links, von meinem verfassungsmäßigen Spaziergang. Hier denn ist eine Allee von uralten Bäumen, Eichen und Linden, schon dunkel, da das scheidende Sonnenlicht das hundertjährige Laubdach kaum noch durchdringt. Dieses ist die

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