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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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guten Witz schadlos hält, la terre maudite nannten oder la terre de Moab, das Moabiterland, heute Moabit, das Land Borsigs, der Fabriken und der Parks, das Land des Eisens und des Reichtums, ein sprechendes Exempel von dem, was man aus Sand machen kann, wenn man es nur recht anfängt und sich die Mühe nicht verdrießen läßt. Freilich hat es hundert Jahre gedauert, ehe der kärgliche und widerspenstige Boden nachgab; und nach den Franzosen mußten unter Friedrich dem Großen westfälische Leute graben und pflügen und Hecken pflanzen, hart arbeitende, schwer auftretende Bauern, an welche noch, mitten in dem ganz modernen Moabit, zwischen den stattlichen Gebäuden unseres Jahrhunderts, ein altes, kleines, aus Lehm gebautes Haus erinnert, mit einem altmodischen Schild, das in altmodischer Schrift die Worte trägt: »Pumpernickel-Bäckerei«! Wer damals aus der »terre maudite« kam, »über die Furt am Jordan (vulgo Spree), die nach Moabit führet«, und bei den Zelten ausstieg, der mochte glauben, im Gelobten Lande zu sein. »Milch gab sie, da er Wasser forderte, und Butter brachte sie dar in einer herrlichen Schale.« Des zum Gedächtnis, sagt mein Gewährsmann, ist den dort an der nämlichen Stelle noch befindlichen vier Kaffeehäusern die Benennung von Zelten geblieben, selbst als diese Zelte sich zuerst in Hüttenund am Ende in große massive Gebäude verwandelten, »wovon Nr. 1 und 2 sogar große Säle haben, aus denen man an Sommertagen angenehme grüne Wiesen, jenseits der Spree, überschauet« – Wiesen, die Spuren und Zeugnisse des vereinten Fleißes von Franzosen und Westfalen, die nun auch längst wieder verschwunden sind, seitdem die Güterschuppen und Lagerhäuser des Lehrter Bahnhofes hier bis ans Ufer reichen, seitdem hier Holzplätze und Kohlenplätze sind, zwischen denen nur noch einsam da und dort eine Silberpappel emporragt. Statt des Geruches von Heu ist hier der Geruch von Pech und Teer und allerlei Schiffsgerät, und wo die Sensen gedengelt wurden, ist jetzt das Pfeifen und Stoßen und Stöhnen der Lokomotive – dem goldenen Zeitalter ist das eiserne gefolgt, in dem wir leben, das Zeitalter der Maschinen- und Massenarbeit; und doch, wer möchte leugnen, daß es seine Poesie hat, so gut wie jedes andere, nur daß uns das rechte Wort dafür oder der rechte Mann noch fehlt, der deutlich ausspräche, was wir nur undeutlich empfinden?
    Adolf Menzel mit dem durchdringenden Blick unter den buschigen Brauen und der nervigen Faust hat es vollbracht; er hat in seinen »Modernen Cyclopen«, jetzt in unserer Nationalgalerie, eine solche Werkstatt gemalt, bei deren Feuerschein sich gleichsam die soziale Tiefe auftut und ihre dämonisch arbeitenden Kräfte sichtbar werden. Seinen Spuren ist Paul Meyerheim gefolgt in den Panneau auf Kupfer, welche die Marmorhalle des Borsigschen Parkes schmücken: die Geschichte der Lokomotive von dem Moment, wo das Eisen aus den Gruben des schlesischen Gebirges steigt, bis zu jenem, wo der fertige Koloß verladen wird auf einen transatlantischen Dampfer im Hafen von Hamburg. Menzel, wiewohl mit einer Fülle von Phantasie, ist doch nicht etwa phantastisch, wiewohl ein Meister der Farbe, doch keinSchönmaler, eher ein Häßlichmaler. Seine Menschen auf diesem Bilde sind wirklich aus dem Eisenwalzwerk und der Maschinenbauanstalt. Ein geheimer Schauer ergreift uns, wenn wir sie betrachten: In ihnen steht unsere Zukunft vor uns. Ein Gleiches ist der Dichtung bis jetzt nicht gelungen; sie ringt um den ungeheuren Inhalt des modernen Lebens, aber sie hat ihn noch nicht gepackt. Und doch, welcher Roman könnte großartiger sein oder belehrender und erhebender, wäre mehr wert, erzählt zu werden, als derjenige Borsigs, welcher als ein armer Zimmermannssohn in Breslau geboren ward und als ein einfacher Arbeiter nach Berlin kam, um ein Mann zu werden, nach welchem ganze Stadtteile sich benennen; ein Herrscher, aber ein solcher, der im Volke wurzelt, dessen Kraft aus dem Volke stammt und der sie ihm tausendfach wieder zurückgegeben hat.
    Er war ein Mann von Genius und, wie jeder Schöpfer, von tiefem Gemüt; er konnte sich an dem Aufblühen einer Blume, dem Fortkommen eines Bäumchens in seinem Garten freuen, und bei seinen Arbeitern hieß er »Vater Borsig«. In der älteren Generation derselben ist sein Andenken noch unverwischt, obwohl er nun bald dreißig Jahre tot ist. Meister sind da bei den Schmieden und den Formern, die jung unter ihm waren und die heute noch von ihm

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