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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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zum Niedergang neigt über dem Friedrichshain. Und soll ich an dieser kahlen, schwarzen Bretterwand vorübergehen, welche sich zwischen dem Georgenkirchhof und den beiden andern eine Strecke weit die Friedenstraße hinabzieht? »Städtischer Begräbnisplatz« steht über dem niedrigen Pförtchen, welches wohl nurangelehnt ist, aber doch selten geöffnet wird. Denn es ist der Armenkirchhof – und wer kommt zu den Armen, wer besucht sie – mögen sie nun leben oder tot sein? Keine Blumen, keine Gießkannen – nur vereinzelt ein paar Menschen, die sich in dem öden Raum zu verlieren scheinen. Die hier ruhen, die meisten von ihnen, mögen wohl weder Freunde noch Verwandte haben; sie lebten einsam und sie starben einsam in dieser großen Stadt, und die Stadt ließ sie hier begraben. Was konnte man mehr für sie tun, als ihnen diese paar Fuß Erde geben – ihnen, die bei Lebzeiten nicht einmal soviel hatten? Und doch ist es ein trauriger Anblick, sie so daliegen zu sehen, ohne Hügel, ohne Rasen, Grab flach neben Grab, jegliches mit einem schwarzen Pfahl zu Häupten und einer Nummer daran. Wer nennt auch die Namen der Armen und was kann es nützen? Sie kommen, sie gehen, ihre Spur ist verloren. Welch ein elend Ding das Leben ist, wenn die Tröstungen der Natur, der Liebe, der Schönheit ihren täuschenden Schein nicht darüber ausbreiten, das sieht man auf solch einem Armenkirchhof. Sogar die Bäume, die da und dort herumstehn, sind vom Blitze gespalten und haben kein Grün mehr. Wüst ist diese Stätte, nackt auch im Sommer. Das schöne Wort Victor Hugos: »L'été c'est la saison des pauvres« ist nicht wahr für die Toten. Unkraut wuchert umher und Gestrüpp, Riedgras mit Brennesseln untermischt; Steine liegen zusammen mit Wurzeln abgestorbener Bäume, die Wege sind aufgewühlt, und im Sande muß man waten, wenn man zu den Gräbern will. Manchmal sieht man eine Reihe von sechs oder sieben, die noch nicht einmal ordentlich wieder zugeschüttet sind. Nur selten ist ein Kreuz von Eisen, dessen Inschrift aber längst unleserlich geworden. Die paar Blumen und welken Kränze kann man zählen. Häufiger ist ein seidenes Band mit Worten bedruckt wie diese: »Trauer ist unser Los.« Aneinem der Gräber sah ich ein schwarzes Brettchen, auf welches eine nicht sehr geübte Hand mit weißer Ölfarbe geschrieben hatte: »Hier ruhn die geliebte Mutter und Schwester.« Auch hier kein Name, wie wenn der Sohn, der Bruder mitten in seinem Schmerz gefühlt habe, daß es sich für den Armen nicht zieme, seinen Namen auf das Grab zu setzen. Eine schauerliche Trostlosigkeit weht über diesem Gottesacker, und es ist doch auch »Saat von Gott gesät, am Tage der Garben zu reifen«. Aber wo bleibt die Hoffnung, wenn das Vertrauen fehlt, wo selbst der Glaube, wenn die Seele stumpf, das Gemüt öde geworden; und wer vermöchte solchen beunruhigenden Fragen auszuweichen, auf welche diese Tausende von namenlosen Gräbern ihm wahrlich keine Antwort geben! Der hier geschilderte Armenkirchhof ist im Jahre 1881 geschlossen worden.
    Jetzt ist die Sonne hinunter, und nur noch das Abendrot flammt an den Himmelssäumen; ein langes, warmes Abendrot, welches die Häusermassen von Berlin mit einem sanften, schwindenden Rot färbt. Dies ist die Stunde, wo Hunderte von Gasflammen auf einmal mit ihrem weißlichen Licht zu kämpfen beginnen gegen die Dämmerung des Sommerabends, welche nur langsam scheidet und im Verblassen noch die Schildinschriften in den Straßen matt erglänzen macht. Dies ist auch die Stunde, wo ich meinen Sonntagspaziergang in dem schönen Garten des Böhmischen Brauhauses zu beschließen pflege. Da bin ich unter Handwerksmeistern, Hauseigentümern, Kaufherren, Fabrikanten, lauter guten Genossen und dezenten Leuten, welche, wenn sie die Woche hindurch ihr Werk gefördert, sich am Sonntag auch etwas gönnen mögen und welche, wiewohl sie von dem letzten Grund der Dinge wahrscheinlich nicht mehr wissen als ich, dennoch recht vergnügt und wohl bei Leibesind – Männer außerdem, die gar nicht wenig vorstellen in ihrem Bezirke und der Stadt. Sie zu sehen ist ein Trost für mich. Sie haben schmucke Frauen und hübsche Töchter, sie lassen sich ihr Beefsteak schmecken und trinken ihr Seidel dazu, sie rauchen ihre Zigarre, zahlen, wenn's elf geschlagen, und gehen nach Hause, wie die Väter vor ihnen getan und die Kinder – will's Gott – nach ihnen tun werden. Durch die Bäume des Gartens schimmert der blaue Himmel, über das offene Feld

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