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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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der dem Buchhändler Nicolai sein Haus baute? Aus einem einzigen Speisesaale wurden vierzehn verschiedene Piecen gemacht; dennoch blieben drei Säle übrig; für die Bibliothek, für die Musikaufführungen und für die Geselligkeit. Nicolai machte freilich nicht in dem Sinn »ein Haus« wie Mendelssohn; dafür aber gab es statt der zugezählten Mandeln und Rosinen opulente Mittags- und Abendschmäuse und einen Kreis vergnügter Gäste rings um die Tafel, unter denen die Literatur regelmäßig durch Ramler, Goeckingk, die Karschin, Engel vertreten war und neben dem künftigen Direktor der Singakademie, Zelter, der Direktor der Akademie der Künste, Chodowiecki, der treffliche Maler mit dem vollen, jovialen Gesicht und den verschmitzt lächelnden Augen, selten fehlte. Denn wenn Nicolai hart arbeitete, so wollte er auch etwas davon haben; und wie sämtliche Bücher seiner Bibliothek eine von Chodowiecki gezeichnete und gestochene Vignette trugen: ein kleiner Genius hält ein großes Buch, in dem ein anderer Genius buchstabiert: »Friderici Nicolai et amicorum«, so mußten die Freunde sich alle Woche wenigstens einmal in seinem gastlichen Hause versammeln, um mit ihm gut zu essen und zu trinken und fröhlich zu sein. Er war eine höchst gesellige Natur und bis zuletzt Mitglied jenes Montagsklubs,der im Jahre 1749 gegründet ward und, soweit meine Nachrichten reichen, im Jahre 1870 noch existierte. Ursprünglich nur aus acht Personen bestehend, hatte dieser Klub sich allmählich zu einer Gesellschaft erweitert, welche die vorzüglichsten Gelehrten, Musiker, Künstler und Beamten Berlins umschloß, unter diesen auch Wöllner, bevor er Staatsminister und fromm geworden, ein Mitarbeiter der »Allgemeinen Deutschen Bibliothek«, der er nachmals in den Jahren des Religions- und Zensurediktes das Leben so sauer machte, daß sie, bis zur Aufhebung dieser Edikte bei der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms III., sich zur Emigration nach Hamburg entschließen mußte. Sulzer und Ramler hatten dem Klub seit seinem Beginn angehört; Lessing war 1752, Nicolai 1756 hinzugetreten. Er hat sie alle überlebt, die Genossen seiner Jugend; mit einer neuen Generation beging er das fünfzigjährige Stiftungsfest des Klubs, und nachdem im Jahre 1804 der Begründer desselben, der biedere Schweizer Schultheß als Pfarrer in Mönchaltorf bei Zürich verstorben war, ward Nicolai sein Senior. Bis in sein höchstes Alter besuchte er den Klub, dessen Lokal damals in der Mohrenstraße war; und in dem »Ehe- und Hauskalender«, welchen die Freundinnen und Freunde des Nicolaischen Paares zur Feier der silbernen Hochzeit überreichten, fand sich unter »Montag« ein für allemal die Bemerkung: »Der Montag ist das ganze Jahr des Herrn Nicolai großer Klub.«
    Der Lebensabend dieses braven Mannes war nicht so freundlich, wie man es ihm wohl gegönnt hätte. Das Bild vor jenem Kalender zeigt ihn noch behaglich in seinem Lehnstuhl, eine Zeitung in der Hand, einen Globus neben sich, inmitten der Seinen. Aber wer lange lebt, muß sich darein ergeben, viel zu verlieren. Es starb die vortreffliche Gattin, »mich erdrückt die Last des herbenKummers«, schrieb er damals an Ramler; aber es starben ihm auch, eines nach dem andern, alle seine Kinder, Töchter und Söhne, in ihrem besten Alter; und obwohl nun der Schwiegersohn Parthey mit den Enkeln zu dem Alleinstehenden zog, so war es doch nicht mehr das alte Haus, das alte, durch Geselligkeit und Musik verschönte Leben. Stille geworden war es in diesen Sälen, durch welche nur noch die Schatten von ehedem wandelten; nicht einmal das heranwachsende Geschlecht durfte sie mit seinem Jubel erfüllen. Denn das Unglück des Vaterlandes erstickte bald die Stimme kindlicher Lust, wie es den Blick des Greises verdüsterte, der den fremden Eroberer, umgeben von seinen Marschällen, dort drüben im Schlosse der Könige von Preußen Hof halten sah. Die Tage der tiefsten Erniedrigung, nicht die der Erhebung und Befreiung sollte er erleben, dieser Alte, der den Großen Friedrich noch als Kronprinzen in seines Vaters Laden gesehen hatte. Trotzdem blieb er ungebeugt und, wiewohl von körperlichen Gebrechen heimgesucht, rastlos tätig. Er war nicht angenehm, der alte Nicolai, wie sein Enkel Parthey ihn schildert, eher mürrisch und schweigsam; aber dennoch einer der populärsten Bürger Berlins und selbst den jüngeren, einer ganz anderen Richtung angehörigen Literaten als der Jugendfreund Lessings verehrungswürdig. Er hatte

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