Bilder Aus Dem Berliner Leben
schreibt er einmal; und ein andermal: »Was Ihr Werk von den Ahnenbildern betrifft, so würde ich, wenn es Ihnen an einem Verleger fehlen könnte, sogleich den Verlag übernehmen; denn dieses wäre die geringste Probe meiner Freundschaft. Da es Ihnen aber vermutlich an einem Verleger gar nicht fehlen kann, so wäre es mir lieber, wenn Sie es einem anderen gäben.« Zu seinem und seines Verlages Ruhme blieb es aber dabei: die beiden Schriften erschienen bei Nicolai, welcher sich gleichsam vor sich selbst mit der Betrachtung tröstet: »Inzwischen ich, der ich das besondere Glück habe, daß in meinem Verlage viel schlechte Bücher, die gut abgehen, befindlich sind, ich denke dann, sie werden ja wohl noch ein Tracktätchen von zwölf Lessingischen Bogen übertragenkönnen.« Er ist taktvoll genug, von den guten Büchern, die schlecht abgehen, nicht zu sprechen; aber also war es damals und also – leider! ist es heute noch. »Ahnenbilder sind eben nicht die Götzen, von denen man Reichtum erbitten muß!« Er hatte, was das betrifft, solidere Quellen der Einnahme in jenen zahllosen Bänden und Bändchen, die heute, wo sie nicht längst Makulatur geworden, die hinteren Reihen unserer öffentlichen Bibliotheken zieren, zu ihrer Zeit aber den Vorzug hatten, gekauft zu werden und ihn, in allen Ehren, zu einem vermögenden Manne zu machen.
Sechs Jahre waren seit Lessings und ein Jahr seit Mendelssohns Tode vergangen, als Nicolai, damals ein Vierundfünfziger (1787), das Haus in der Brüderstraße Nr. 13 erwarb, welches heute noch auf einem Stein über der Tür in Bronzebuchstaben die alte Inschrift hat:
Nicolai,
Buchhandlung.
Auch dieses Haus steht auf den Fundamenten jenes ehemaligen Konventes der Dominikaner, welches in dieser ganzen Gegend seine Spuren zurückgelassen hat; es war von dem Minister von Kniphausen (1730) erbaut und zum Zwecke großer Gastereien und Festlichkeiten eingerichtet worden. Nach diesem besaß es der ebenso hochherzige als unglückliche Kaufmann Gotzkowsky, der – man darf es sagen – an seinem Patriotismus, und zwar unter dem Großen Friedrich, in schwerer Zeit zugrunde gegangen ist. Seine Vaterstadt, nicht sich vermochte er zu retten. Der Nachfolger Gotzkowskys war Nicolai. Was würden die Freunde gesagt haben, wenn sie den »Esquire« der Spandauer Straße noch hätten in der Brüderstraße sehen können!
Denn die Brüderstraße, heute noch mit ihrem engen Zugang, ihrer unregelmäßigen Form und dem Turmeder Petrikirche im Hintergrund eine der traulichsten im alten Berlin, war damals eine der vornehmsten unserer Stadt überhaupt. Die ganze Gegend bis an den Mühlendamm zeigte diesen Charakter, und sogar dieser selbst – wer sollte es für möglich halten! – war damals ein fashionabler Platz. Wo jetzt alte Kleider zum Verkauf und zweifelhafte Fräcke zum Verleihen unter den Steinbögen aushängen, welche, vom aufgehäuften Schmutz fast unkenntlich gemacht, die Porträtköpfe des Großen Kurfürsten und Friedrichs I. zeigen, Wer in diesen Tagen nach dem Mühlendamm ginge, der würde freilich unter dem grauen Winterhimmel nur noch Trümmer sehn, die eine Seite, mit dem Blick auf das Wasser, schon ganz freigelegt, auf der andern das beginnende Werk der Zerstörung, und aus dem Bauschutt der niedersinkenden Bögen und Arkaden hier und dort einen letzten einsam aufragenden Pfeiler mit der alten, wohlbekannten Inschrift: »Hier werden die höchsten Preise für getragene Kleidungsstücke gezahlt«, oder: »Erstes Verleihinstitut für Leibröcke und Kellnerjacken.« Anmerkung vom 9. Febr. 1887. waren noch in den ersten Dezennien unseres Jahrhunderts glänzende Läden und kostbare Magazine, welche für die ersten und elegantesten in Berlin galten, unter ihnen die renommierte Seidenwarenhandlung von »König und Herzog«; feine Damen drängten sich hier wie jetzt bei Gerson und Heese, die Schaufenster waren belagert von Neugierigen, und unter ihnen stand oftmals ein Knabe von zehn oder elf Jahren – der Enkel Nicolais, Gustav Parthey, der nachmals ein berühmter Archäologe geworden ist und in seinen reizvollen »Jugenderinnerungen« uns manchen ansprechenden Zug aus seines Großvaters Zeit und Haus bewahrt hat. Jugenderinnerungen von Gustav Parthey. Handschrift für Freunde. Zwei Teile. »Bene qui latuit bene vixit.« Ohne Jahreszahl, doch trägt das Vorwort das Datum: »März 1871«. – Ein Jahr später, 1872, starb der hochverdiente Mann, der gleich seinem Großvater Buchhändler und
Weitere Kostenlose Bücher