Bilder Aus Dem Berliner Leben
Handwerksmeister der Nachbarschaft, mit den Ihrigen sitzen sehen unter den Ahorn- und Kastanienbäumen an sauber gedeckten Tischen, auf welchen der mitgebrachte Mundvorrat appetitlich ausgebreitet wird und ein Fläschlein Bier oder zweie nicht fehlen; und hier verzehren sie, fröhlich und guter Dinge, unter Gottes freiem Himmel ihr Abendbrot auf einem Stück Grund und Boden, in welchem ihre Vorfahren ruhen und über welchem hin ihre Kinder sich jagen, mit den Vögeln in den Zweigen um die Wette jauchzend, bis um halb neun das Glöckchen des Gemeindedieners das Zeichen zum Aufbruch gibt.
Auf diesem Kirchhof war einst das Grab Friedrich Nicolais. Es ist nun ebensowenig mehr zu finden wie eins der andern. Aber an der Kirche, vorn, wenn man von der Straße kommt, unter den hohen Fenstern, rechts von derTür, ist ein schwarzes Eisentäfelchen mit vergoldeter Umrahmung in die Mauer eingelassen, und darauf liest man die Inschrift:
Friedrich Nicolai,
geb. 18. März 1733,
gest. 8. Jan. 1811.
Unter den Linden
Wie gut ich sie kenne, die Häuser Unter den Linden, als ob jedes von ihnen seine Geschichte mir erzählt hätte, die eigene und die der Leute, die darin gewohnt haben. Fast ein Menschenalter lang bin ich an ihnen vorbeigegangen, in guten und bösen Tagen, habe mir ihre Physiognomie eingeprägt und an ihren Schicksalen in gewisser Weise teilgenommen, habe altertümliche Paläste mit weiten, öden Räumen gesehen, wo jetzt schimmernde Cafés und glänzende Restaurants sind, und wiederum verwitterte Gebäude des vorigen Jahrhunderts, wo jetzt stattliche Paläste sich erheben. Ich habe sie, sowohl ihre Bewohner als ihre Bestimmung, wechseln sehen und alle diese Wandlungen als Beobachter mit ihnen durchgemacht. In viele derselben, ja in die meisten bin ich während dieser langen Zeit persönlich gekommen; in einigen habe ich eine Gastfreundschaft genossen, deren Andenken die Gastgeber überlebt hat, in anderen die Bekanntschaft bedeutender Männer und schöner Frauen gemacht, die beide nicht mehr sind, und in einem viele, viele Stunden verbracht, welche zu den lehrreichsten, wenn nicht zu den angenehmsten meiner jüngeren Jahre zählen. Das Haus existiert nicht mehr; es stand da, wo jetzt der Eingang zur Passage sich öffnet, und es war das Haus Nr. 23. Obwohl lange verschwunden, sehe ich es noch deutlich vor mir mit seinen gelbenWänden und vielen Fenstern, langgestreckt, zwei Stockwerke hoch, die Türe beständig offen, der Flur dunkel, die hölzernen Treppenstufen ausgetreten – kein sehr wohnliches oder einladendes Haus. Im Erdgeschoß war ein kleiner Zigarrenladen, im zweiten Stock ein Restaurant, das nur noch wenig frequentiert ward, und ein Ballsaal, in dem nicht gerade die beste Gesellschaft von Berlin tanzte. Der erste Stock beherbergte die Redaktion des »Bazar«, jener Frauenzeitung, welche damals auf der Höhe ihres Ansehens und ihrer Abonnenten stand; ich glaube, sie hatte deren über eine Viertelmillion. Ich redigierte den belletristischen Teil. Niemals aus meiner Erinnerung werden diese Bazartage schwinden. Sie fingen an mit großen Illusionen. Dieses unbekannte Publikum von einigen Hunderttausenden, und die Mehrheit von ihnen Frauen, junge Frauen natürlich, geistreiche, schöne Frauen – das gab meiner Phantasie wundersamen Spielraum und lockte sie wie zu weiten Fernen. Ich entsinne mich noch der ersten Enttäuschung, als eine Korrespondentin, die nach ihren zierlichen Briefen ich mir nicht reizend genug ausmalen konnte, nun eines Tages persönlich erschien – ein ältliches Fräulein, welches mich plötzlich auch in bezug auf ihre Schwestern in Apoll mit einigem Zweifel erfüllte. Mich hatte ferner der Gedanke gelockt, daß dieses Weltblatt, – wie wir es mit Vorliebe nannten – einen Einfluß besitzen und ausüben müsse, welcher seiner ungeheuren Verbreitung entsprach. Ich wußte damals noch nicht, daß Plato nur zwölf Leser gehabt, daß diese zwölf aber »das Salz der Erde« und die geistigen Beherrscher der Menschheit gewesen. Und dennoch war die Arbeit nicht ganz verloren. Ich sammelte Erfahrungen, unerläßlich für denjenigen, der sich zu größeren und ernsteren Aufgaben vorbereitet. Denn das »Redigieren« war nun einmal mein Los und meine Wahl. Schon auf dem Gymnasium zu Rintelngab ich ein Blättchen heraus, welches, auf großen Bogen sauber geschrieben, allwöchentlich einmal erschien und im Kreise der Mitschüler bei Kaffee und Kuchen verlesen ward. Ich glaube, daß ich diesen Eifer
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