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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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sich, zur Schonung seiner Augen, ganz mit Grün umgeben. Die Stube war grün tapeziert, Sofa und Stühle grün überzogen, er trug einen grünen Schlafrock, hatte des Abends einen grünen Lichtschirm, und sogar die Wand eines Nachbarhauses, die bisher weiß gewesen, mußte grün angestrichen werden. So saß der hohe Siebenziger lange noch an seinem Schreibtisch in seinem Studierzimmer im ersten Stock, hinten heraus gegen Süden, mit dem Blick in den kleinen Garten; mit den 268 Bänden der »Allgemeinen Deutschen Bibliothek« vor sich, mit den Bildnissen allerberühmten Zeitgenossen, von Rabener bis auf Alexander von Humboldt an den Wänden, mit zwei Bücherschränken zu beiden Seiten und einem kleinen tafelförmigen Klavier, auf welchem er manchmal Choräle spielte; und so ungefähr habe ich alles noch gesehen, und selbst das alte Klavier gab mir, ich vermag es nicht zu schildern, welchen schwachen, klagenden Laut der Vergangenheit, als ich an einem schönen Sommertage von der gegenwärtigen Bewohnerin dieser Räume, Frau Veronica Parthey, der Urenkelin Nicolais, freundlich darin empfangen ward.
    Nicolais gibt es nicht mehr in Berlin; aber eine junge Generation der Partheys, aufwachsend an der zeitgeheiligten Stätte, verheißt diesem echten Berliner Bürgergeschlecht noch eine lange Dauer. Auch der Buchhandel floriert noch in diesem Hause, der Nicolaische Verlag und das Nicolaische Sortiment. In den letzten Jahren Friedrich Nicolais war Johannes Ritter, der ältere Bruder des berühmten Geographen Karl Ritter, Disponent des Geschäftes und blieb es lange noch, als es nach Nicolais Tod in die Hände seines Schwiegersohnes, des Hofrats Parthey, übergegangen war. Von diesem erhielt es 1825 sein Sohn Gustav, der 1858 das Sortiment und 1866 den Verlag veräußerte. Seitdem sind beide getrennt, aber noch immer in dem Hause der Brüderstraße Nr. 13, und zwar in den identischen Räumen: das Sortiment (Borstell & Reimarus) mit seinem großartigen Lesezirkel von 500 000 Bänden gleich vorn linker Hand, der Verlag (R. Stricker) mit seinen vortrefflichen Werken, namentlich pädagogischer Richtung, hinten im Hof.
    Zweistöckig, mit stattlicher Front, in seiner Verbindung von Geschäftshaus und Wohnhaus macht es auf den Eintretenden noch ganz den Eindruck der guten alten Zeit, wo man Platz hatte, sich mit einiger Bequemlichkeitzu bewegen. Eine breite Holztreppe mit geschnitztem Geländer führt von dem Flur in die oberen Etagen. Der Hof ist geräumig, mit den Galerien um den ersten und zweiten Stock, welche Zelter gebaut hat. In der Mitte des Hofes ist ein kleines Beet mit einem Bäumchen darin; und um die Fenster des Kontors rankt Weinlaub. Hier ist es kühl und angenehm, auch an den heißen Sommertagen, als ob ein Hauch des vorigen Jahrhunderts uns anwehe; man fühlt sich weit entfernt von dem heutigen Berlin. Aus dem Fenster sieht man in den Garten, in welchem Linden stehen und ein alter Nußbaum, welchen Nicolai noch gepflanzt. An der Wand über dem Sofa hängt sein Porträt, ein Pastellbild, welches ihn mit wohlwollendem Gesicht, hoher, zurücktretender Stirn und weißem Haare zeigt, in der Tracht vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts: blauem Frack mit übergeschlagener weißer Weste. Verlagsartikel des alten Herrn, viele davon jetzt Unikate, kamen zum Vorschein aus entlegenen Gewölben, und alles vereinigte sich, mir ihn, seine Zeit und Zeitgenossen nahezubringen, wie in einem schönen Sommertagstraum.
    In dieser Stimmung besuchte ich seihe ehemalige Wohnung im ersten Stock; ich ging die Holztreppe hinan, in deren Stufen leichte Eindrücke anzudeuten scheinen, daß hier eine Generation nach der andern auf- und abgestiegen. Ein eigner Reiz und Zauber webt um solch alte Wohnungen. Es weht ein sanfter Blumengeruch in ihnen, wie von Waldmeisterkränzen, die lange ihren Duft noch behalten, auch wenn sie schon verwelkt sind. Die weißlackierten Türen, der Tritt vor dem Fenster, die altmodischen Möbel, die mancherlei kleinen Andenken, Porzellan und Bücher und Bilder und das Halbdunkel, das in allen diesen hohen Räumen herrscht, sie geben zusammen uns das Bild und Gefühl der Wirklichkeit, aber einer weit entrückten. Frau Veronica Partheywar meine gütige, geduldige Führerin. Im Vorzimmer hängen Familienporträts, zwei von Nicolai, ferner das seiner Gemahlin, seiner Freundin Elisa von der Recke, die so gut wie zur Familie gehörte, beide von Graff gemalt. Sie haben etwas, was an die Frauenporträts von Sir Joshua

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