Bilder Aus Dem Berliner Leben
das Profil des oberen Teiles des Gesichtes war sehr edel; man hat das seine, wenn man das seiner Tochter, der Frau von Gleichen, ins Männliche übersetzt. Aber seine bleiche Farbe und das rötliche Haar störten einigermaßen den Eindruck. Belebten sich jedoch im Laufe der Unterhaltung seine Züge, überflog dann ein leichtes Rot seine Wangen und erhöhete sich der Glanz seines blauen Auges, so war es unmöglich, irgend etwas Störendes in seiner äußeren Erscheinung zu finden.« Aber man hatte sich ihn in seiner Ausdrucksweise feuriger, in seinen Reden rückhaltloser gedacht. »Ich meinte«, fährt Henriette Herz fort, »er müsse so im Laufe eines Gesprächs etwa wie sein Posa in der berühmten Szene mit König Philipp sprechen.« Sie hatte sich getäuscht; zu ihrem Erstaunen stellte Schiller sich in seiner Unterhaltung als ein sehr lebenskluger Mann dar, der namentlich höchst vorsichtig in seinen Äußerungen über Personen war, wenn er irgend glauben durfte, Anstoß zu erregen. Freilich war er ein kluger Mann, der nicht umsonst durch die harte Schule des Lebens gegangen war und durch Prüfungen jeglicher Art; von seiner ersten Bedrängnis an, deren Zeuge noch Iffland gewesen, bis zu diesen Tagen der höchsten Ehren niemals ganz frei, weder von körperlichen Leiden noch von des Daseins gemeiner Sorge. Vornehm hat er es getragen, aber auch rechnen gelernt, um durchzukommen. Gar zu gern hätten die Berliner Schillers Urteil über ihrTheater gehört, auf welches sie sehr stolz waren. Er sprach seine Meinung auch aus, aber in einem Brief an Körner: »Musik und Theater bieten mancherlei Genüsse an, obgleich beide das nicht leisten, was sie kosten.« Vergebens, ihn zu einer Äußerung über die Darstellerin der Thekla im Wallenstein zu veranlassen, in bezug auf welche das ganze intelligente Publikum Berlins in zwei Lager geteilt war. Aus Schiller war nichts herauszubringen. Von seiner Gemahlin aber erfuhr man, daß ihm die Darstellung der Rolle gar nicht behagt habe. Keine Spur von Sentimentalität, Empfindsamkeit war in diesem Manne, vielmehr die volle Schärfe des Kritikers, welche, durch die hinreißende Gewalt seines Pathos verhüllt, von der Menge nicht wahrgenommen wird. Aber in der Richtung seiner Jugenddramen, in dem schlagenden Dialog auch seiner spätesten noch, kommt sie mittelbar, in den Votivtafeln, in seinem Anteil an den Xenien, in seinen philosophischen Schriften, seinen mündlichen und brieflichen Aussprüchen unmittelbar zum Vorschein. Dieser Auffassung hat zuerst Scherer in der knappen schönen Sentenz Ausdruck gegeben: »Goethe wurzelt in der Idylle, Schiller in der Satire.« Literaturgeschichte, S. 582. Über die Berliner wollte Schiller sich nicht äußern; aber als in einer Unterhaltung mit Henriette Herz die Rede kam auf Frau von Staël, welche in Jena in einem wegen eines Spuks anrüchigen Hause gewohnt und sich etwas damit wußte, daß während ihres Aufenthaltes sie nichts davon gemerkt habe, da rief er: »Freilich, hätte denn selber ein Geselle Satans mit der zu schaffen haben mögen?«
Einmal auch war Schiller beim Prinzen Louis Ferdinand zu Gast – er, dieser Prinz, trotz der Romantik, die sich mit seinem Namen verknüpft, und obwohl eine lebensfrohe, doch im Grund eine ernste Natur und wie von der Ahnung eines großen Schicksals ergriffen, wenner frühe schon (in einem Brief an Pauline Wiesel) ausruft: »Sprich doch nicht von Amüsieren! Ich kenne nichts Trivialeres als diesen Ausdruck – Kinder, Hofdamen und Fähnriche amüsieren sich, aber ein Mann, dessen Verstand sich beschäftigen, der denken, fühlen, genießen kann, der amüsiert sich nicht.« – »(5. Mai.) Beim Prinzen Louis Ferdinand gegessen«, heißt es in Schillers Tagebuch. Den Berlinern ist das Haus des Prinzen, nicht hundert Schritte von den Linden, dem heutigen Zentralbahnhof in der Friedrichstraße gegenüber, noch wohlbekannt. Von all den alten Häusern, ehemals königliche Gebäude, die hier herum in der Friedrichstraße stehen und von denen – leider! – eines nach dem anderen vor unseren Augen fällt, ist dieses das hübscheste. Es führt die Nummer 103 und ist gegenwärtig ein Geschäftshaus mit zehn Läden im Erdgeschoß, und ich weiß nicht wie vielen außerdem. In dem weitläufigen Hof, zu des Prinzen Zeit ein großer Garten, der bis an die Spree reichte, sind mehrere Fabriken und eine Druckerei. Doch ein kleines, idyllisches Fleckchen ist hier übriggeblieben zwischen den haushohen Wänden,
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