Bilder Aus Dem Berliner Leben
großen und edlen Herzens. Ein gewisser Burrmann, Kandidat der Gottesgelahrtheit, ein bescheidener Mann, damals Redakteur an der »Spenerschen Zeitung« und sonst der Nachwelt unbekannt, hatte ihm einmal nach Weimar in herzlich verehrender Weisegeschrieben. Bei diesem, während seines Berliner Aufenthalts, tritt eines Morgens Goethe herein. Burrmann kennt ihn nicht. Als Goethe sich genannt, wirft der Kandidat der Theologie sich auf den Boden und wälzt sich wie ein Kind darauf herum. Auf Goethes Frage, was er habe, gibt jener zur Antwort: »Ich kann meine Freude über Sie nicht besser ausdrücken.« Worauf Goethe: »Nun, dann will ich mich auch zu ihnen legen.« Und so lagen sie beide auf den Dielen des Zimmers.
Ovationen anderer Art wurden Schiller bereitet, als er sechsundzwanzig Jahre später, im Mai 1804, hierherkam. Es existiert noch eine Karte des hiesigen Fremden-Meldeamts, auf welcher es heißt: »Angekommene Fremde: Den 2. Mai Herr von Schiller, Hofrat, kommt von Leipzig, logiert Unter den Linden.« Das Wirtshaus »Zur Sonne« hatte damals seinen Namen schon gegen den moderneren »Russischer Hof« vertauscht; und so steht es auch in der »Vossischen Zeitung« vom 3. Mai. Doch war es noch immer dasselbe Haus. Man weiß, daß die Absicht bestand, Schiller dauernd oder wenigstens regelmäßig für einen Teil des Jahres an Berlin zu fesseln, als Geschichtslehrer des Kronprinzen und mit einem Sitz in der Akademie, vielleicht auch schon mit einem Hinblick auf die künftig zu begründende Universität; man weiß aber auch, daß die Verhandlungen resultatlos verliefen. Schillers Ansprüche waren nicht groß – zweitausend Taler jährlich – man bedenke: sechstausend Mark, und diese Summe zu nennen, erlaubt ihm noch nicht einmal die Bescheidenheit, wie er sagt. Schiller scheint sich mit dem Gedanken einer Übersiedelung schon ganz vertraut gemacht zu haben; Berlin gefällt ihm, »Es ist dort eine große persönliche Freiheit«, schreibt er an Körner, »und eine Ungezwungenheit im bürgerlichen Leben.« Frau von Schiller, die den Gemahl auf dieser Reise begleitet, will ihn in seinen Entschlüssen nicht stören; aber sieweint fast vor Freude, als sie Thüringens erste Bergspitze wieder erblickt. »Ich wäre recht unglücklich in Berlin gewesen«, schreibt sie an Fritz von Stein, als der Plan sich längst zerschlagen (9. Dezember 1804). »Die Natur dort hätte mich zur Verzweiflung gebracht.« Aber die Tage, die sie in Berlin verbrachten, vom 1. bis 17. Mai, waren dennoch Festtage für beide – und ach, ihre letzten! Die Königin empfing ihn; die Freunde, alte und neue, Hufeland, der große Mediziner, im Jahre 1798 als Leibarzt des Königs von Jena hierher berufen, Fichte, der Philosoph, Woltmann, der Historiker, Zelter, der Musiker, die führenden Männer des damaligen Berlin und seine geistreichen Frauen umringten ihn. Die Daten in Schillers Kalender zeigen, wie besetzt er war, mittags und abends, mit Oper, Schauspiel und Konzert vorher und nachher. Allen voran in den Veranstaltungen glänzender Gastlichkeit ging der Direktor des Königlichen Nationaltheaters, Iffland. Altersgenossen diese beiden, waren sie Kameraden gewesen in der Mannheimer Zeit, den Tagen der »Räuber« und des »Fiesko«. Seitdem hatte Schiller die Höhen des Ruhms erstiegen, und Iffland, obgleich sein Los in dieser Hinsicht bescheidener gefallen, war dennoch, nicht unverdient, zu einer ansehnlichen Reputation, zu Wohlstand und Einfluß gelangt. Er hatte als Schauspieler seine Triumphe gefeiert, hatte Stücke der mittleren Gattung verfaßt, welche seinen Namen noch heut in Ehren lebendig erhalten, und war nunmehr, in amtlicher Stellung, ein vermöglicher Bürger Berlins geworden. Er besaß ein Haus in der Potsdamer Straße, die man sich freilich nicht wie heute denken muß, mit einem hohen Gebäude dicht neben dem anderen, mit Läden in unabsehbarer Reihe, mit vielem Lärm, Menschengedräng und Pferdebahngeklingel, sondern als eine stille Straße von vorstädtischem Charakter, »Straße nach Potsdam« genannt und in der Tat halb noch Landstraße,mit kleinen Häusern, durch weite Zwischenräume getrennt und von Gärten umgeben, so wie wir selber sie noch vor etwa fünfundzwanzig Jahren gekannt haben. Dieses Haus Ifflands, in welchem vor ihm Fleck gewohnt hatte, steht nicht mehr; an seiner Stelle, Nr. 13, ragt jetzt ein schmaler, hoher Bau von allermodernster Art; doch das Haus nebenan, Nr. 12, Friedrichs Hotel und Restaurant, mit seinem
Weitere Kostenlose Bücher