Bilder Aus Dem Berliner Leben
wohlgepflegten, aber bejahrten Äußeren und seinen gemütlichen, aber niedrigen Stuben innen, seinen dunklen Treppen und langen Gängen, in denen es sich nichtsdestoweniger ganz behaglich wandelt, mag uns einen Begriff geben von den bequemen Verhältnissen, in welchen zu Anfang des Jahrhunderts Leute wie Iffland lebten. Immer aber mit dem beginnenden Frühling siedelte er nach dem Tiergarten über, in ein Landhaus, auf jenem ausgedehnten Terrain gelegen, auf welchem neuerdings, Tiergartenstraße 29 und 29a, zwei Größen der Berliner Finanzwelt sich Paläste gebaut haben. Vor ihnen, auf einem sanft ansteigenden Hügel, der immer mit dem schönsten Grün bedeckt war, stand hier eine Villa mit weißen Säulen und einer Loggia, zur guten Jahreszeit stets mit einem reichen Blumenflor erfüllt, der sich gar lieblich abhob von dem braunroten, mit pompejanischen Wandmalereien bedeckten Hintergrund. Es war einer der hübschesten Anblicke in dieser damals noch entlegenen Gegend des Tiergartens. Verschwunden ist jetzt die Villa, verschwunden der Hügel, und wir wissen nicht, ob dies alles genau so zu Ifflands Zeiten gewesen. Vielleicht gibt uns die nebenan stehende, noch ganz in ihrer ursprünglichen Gestalt erhaltene Villa (Nr. 28) ein getreueres Bild davon. In ihr wohnte lang der gute Nachbar (von 1803 bis 1814) und, wie er sich selbst in der zum Gedächtnis des hundertjährigen Geburtstages dargebrachten Festschrift (1859) nennt, »einer von den wenigen, die noch von Ifflandsnäheren Freunden am Leben sind«: »der alte Duncker«, Haupt der bekannten Berliner Familie, Mitbegründer und bis an sein Ende, 1869, Chef der großen Buchhändlerfirma Duncker und Humblot, die seitdem nach Leipzig übergesiedelt ist. Zwischen den modernen Bauten rechts und links liegt diese Villa wie mitten in einer blühenden Wildnis und gleicht, hinter den uralten, hohen Bäumen und mächtigen Palmengewächsen fast versteckt, mit den Spuren eines vorübergerauschten Jahrhunderts an ihren gelben Mauern, einem Zauberschlößchen, in das man die schönsten Märchen hineinträumen kann. So mag auch die Villa gewesen sein, von der Schillers Gemahlin in ihrem Entzücken ausrief: »ein Ideal von Gartenwohnung«; und hier, im Monat Mai, als die Nachtigallen schlugen, die auch heute noch den Tiergarten lieben, gab Iffland dem Freunde das opulente Mahl, zu welchem alle Berühmtheiten Berlins sich versammelten. Schwerlich hätte Schiller es ihm erwidern können in seinem kleinen Dichterhäuschen zu Weimar, welches dennoch die Nachwelt nicht aufhören wird, mit Rührung und Liebe zu betrachten. Er war gekommen, um, schon im Hinblick auf seine zahlreiche Familie, hier eine Verbesserung seiner Lage zu suchen; sie ward ihm nicht zuteil, und was auch, für den kurzen Rest seines Lebens, wäre damit gewonnen gewesen? Von der Freundschaft Goethes bis zuletzt umgeben und von der Munificenz Carl Augusts so viel als möglich entschädigt, war ihm beschieden, nicht in diesem Berlin, wo die wachsende Flut der Großstadt so rasch eine Spur der Vergangenheit nach der anderen hinwegspült, sondern an der Stätte zu sterben, die heut eines unserer nationalen Heiligtümer geworden. Aber die Wahrheit ist, daß Iffland sich nicht mit der Uneigennützigkeit und Wärme, die man von ihm wohl erwartet hätte, für den Plan verwandte. Diese Dinge spielen in Briefen und Aktenstücken, die spät erstaus unserem Staatsarchiv ans Tageslicht gezogen worden sind, und bestätigen in merkwürdiger Weise die Worte E. T. A. Hoffmanns, eines feinen Beobachters, der den Personen und Dingen zeitlich noch nahegestanden: »Iffland«, sagt er, »dem die Trauerspiele Schillers, die sich damals trotz allen Widerstrebens hauptsächlich durch den großen Fleck Bahn gebrochen hatten, eigentlich in tiefster Seele ein Greuel waren, Iffland, der – durfte er es auch nicht wagen, mit seiner innersten Meinung hervorzutreten – doch irgendwo drucken ließ, Trauerspiele mit großen geschichtlichen Akten und einer großen Personenzahl wären das Verderbnis der Theater« etc. Schiller, so wollen wir annehmen, hat nichts mehr davon erfahren. Denn Iffland, trotz seiner Meinung über »Trauerspiele mit großen geschichtlichen Akten und einer großen Personenzahl«, hatte getan, was kein kluger Theaterdirektor in ähnlichem Falle versäumen wird: während der Anwesenheit Schillers in Berlin wurden hintereinander, in rascher Reihenfolge fünfmal Stücke von ihm aufgeführt. In der »Vossischen Zeitung« vom
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