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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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Schornsteinen und schnurrenden Maschinen, ein traulicher Winkel, mitten in der großen Friedrichstraße von Berlin, und doch so weit von ihr entfernt und so still und poetisch wie die Zeit, wo »Paul et Virginie« die Welt zuerst entzückte – ein Stückchen Gartenland mit ein paar alten Fliederbäumen, die jedesmal im Mai wieder knospen, und einer bejahrten Borkenhütte mit spitzem Dach, nach dem Muster von Bernardin de St. Pierres »Chaumière indienne«, nur daß jetzt Kaninchen darin sitzen. Drei tiefe Bogenfenster des ehemaligen Palais schauen wehmutsvoll in diesen Rest der Vergangenheit hinunter, und der Name des Prinzen lebt noch im Munde der Leute, die hier wohnen. Wie aus einer Verzauberung kehrt man in die Friedrichstraße zurück, und gern, wenn es in diesem betäubendenDurcheinander und Gewühl von Fuhrwerken, Pferden und Menschen möglich wäre, bliebe man einen Augenblick stehen vor diesem langgestreckten Hause, welches Schinkel gebaut, und dessen edle Linien immer noch erkennbar sind. Gern hinter einem jener siebzehn Fenster über dem niedrigen Entresol dächte man sich diese beiden, den Helden und den Dichter, denen es bestimmt war, so bald und so kurz nacheinander zu sterben.
    Übers Jahr, als der Mai wieder kam, am Sonnabend, dem 18. Mai – so lange hatte die Nachricht gebraucht, um von Weimar hierher zu gelangen Die »Vossische Zeitung« hatte sie jedoch schon zwei Tage früher. – las man in der »Spenerschen Zeitung«: »Schiller ist nicht mehr! – Nach einem neuntägigen Krankenlager starb er am 9. d. M. an einem Nerven- und Brustfieber; er hinterläßt seine Witwe mit vier unmündigen Kindern«. – Am 22. Mai ward die »Jungfrau von Orleans« im Königlichen Nationaltheater aufgeführt. »Viele der Zuschauer«, heißt es in der »Spenerschen Zeitung« vom 25. Mai, »schienen von dem Gedanken getroffen, daß Schiller uns nun kein Meisterwerk mehr liefert, und feierliche Rührung begleitete den Beifall, den man dem ersten Werke, das seit der traurigen Nachricht erschien, zollte.« Die »Vossische Zeitung« (desselben Datums) erzählt, »am Schlusse dieses in seiner ganzen Pracht, Schönheit und Begeisterung gegebenen Stückes«, als Johanna niedersank, die Worte sprach: »Kurz ist der Schmerz, und ewig ist die Freude!«, als die Fahnen sich über sie herabsenkten und eine lange feierliche Stille Bühne und Haus erfüllte, da sei der langsam herunterrollende Vorhang, der diese Trauerszenen in seine Nacht habe verhüllen wollen, plötzlich, durch das Reißen eines Seiles, schräg hängengeblieben. Unbeweglich um Johannas Leiche habe die Gruppe gestanden, als ob es eine Gruppe gewesen umSchillers Aschenkrug. Aber auch die drei schwebenden Figuren auf dem Vorhang seien wie in ihrem Fluge gehemmt, wie voneinander getrennt erschienen, und es habe dieser Allegorien nicht bedurft, um zu klagen, daß Thalia und Polyhymnia ihre Schwester Melpomene, die tragische Muse, »vielleicht auf lange Zeit, vielleicht auf immer verloren« habe. Viele, viele Jahre, mehr als achtzig, sind seitdem verflossen. Auf dem Gendarmenmarkt, an derselben Stelle, wo vormals das französische Komödienhaus Friedrichs des Großen, nach seinem Tode das erste Königliche deutsche Theater Berlins, stand, steht jetzt das Denkmal Schillers. Hervorgegangen aus der mächtigen Bewegung des Jahres 1859, jener überwältigenden Kundgebung des Einheitsgefühls, welches – so dicht vor den Ereignissen des Jahres 1866 und 1870 – in der Schillerfeier seinen begeisterten Ausdruck fand, wird es auch der fernsten Zukunft noch sagen, daß es die nationale Dichtung war, welche der politischen Wiedergeburt unseres Volkes den Boden bereitet hat.
    Zwei solch illustre Gäste, wie Goethe und Schiller, hat das Haus Unter den Linden Nr. 23 nicht wieder gesehen. Aber das Zeichen der »Sonne« stand noch lange über seiner Tür, und sie hat, in den zwanziger Jahren, auch Heine noch geleuchtet, obwohl er schwerlich gewußt, was sie zu bedeuten habe. Denn der Gasthof existierte nicht mehr; in seinen Räumen befand sich jetzt das berühmte Jagorsche Restaurant. »Jagor!« ruft er aus. »Eine Sonne steht über dieser Paradiesespforte. Treffendes Symbol! Welche Gefühle erregt diese Sonne in dem Magen eines Gourmands! ... Kniet nieder, ihr modernen Peruaner, hier wohnt – Jagor!« Und das will etwas sagen; denn eine fine lame ist Heinrich Heine immer gewesen, wenn auch grade kein großer Trinker. – Zum letzten Mal erwähnt in Verbindung mit einer

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