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Bilder bluten nicht

Bilder bluten nicht

Titel: Bilder bluten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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zwei? Ich dachte, du hast sie alle aufs Kreuz gelegt, die Geldsäcke.“
    „Blödmann“, wiederholte sie, „Du kapierst nichts. Hast du nie von Aurelienne d’Arnetal gehört?“
    „Herrgott nochmal, ja! Seit ich dich kenn, gehst du mir damit auf den Geist.“
    „Und vorher?“
    „Oh ja, vorher auch, hab von ihr gehört. Eine Kokotte. Die Königin von Paris.“
    „Jawohl, alter Blödmann. Ich hatte Autos, Domestiken, ein Stadthaus in der Avenue du Bois und ein Haus auf dem Lande... Das ist gar nicht so lange her, Herrgott nochmal! 1925...“
    Er kicherte:
    „Haus auf dem Lande... In Villedieu-les-Poêles.“
    „Ja und? Gib mir die Flasche...“
    „Ist leer.“
    „Saukerl.“
    Sie fingen an, sich zu zanken, beruhigten sich wieder. Meinem Kopf ging es besser. Er drehte sich nicht mehr so schlimm. Also war es nicht nötig, noch länger hierzubleiben und auf eine Lungenentzündung zu warten. Ich richtete mich auf. Ja, es konnte klappen.
    „Wohin, Kumpel?“ fragte der Clochard.
    „Ich zieh Leine“, sagte ich. „Hab irgendwo ein Bett.“
    „Du hast Schwein“, sagte die Frau.
    „Jede Menge“, sagte ich.
    „Ich hatte auch eins, ein Federbett.“
    „Mit ’ner Menge Ärsche drin“, bemerkte der Chlochard.
    Sie kicherte nur.
    Ich nahm meine Brieftasche und erlebte noch eine Überraschung. Mein Geld war nicht angerührt worden. Ich fühlte unter meinen Fingern das typische Papier der Banknoten. Also wirklich, je mehr ich über diesen Überfall nachdachte, desto sinnloser erschien er mir. Ich nahm ein paar Scheine und schob sie in die erste Hand, die danach griff.
    Dann ging ich schwankend fort.
     
    ***
     
    Ich schwankte bis zur Rue des Petits-Champs. Die Entfernung schien mir lang. Ich begegnete einigen Nachtschwärmern, jedoch keinem Flic. Das war auch gut so. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es sein konnte. Meine Uhr war stehengeblieben. Es war Nacht. Mehr wußte ich nicht, und mehr wollte ich auch gar nicht wissen.
    Um meine zwei Etagen hinaufzusteigen, brauchte ich eine gute Viertelstunde. Bei jeder Stufe breitete sich unter meinen vor Benommenheit geschlossenen Lidern eine wahre Flut von weißer Bettwäsche aus: Frische Laken, saubere Kopfkissenbezüge, ein Federbett, ein herrliches Federbett, weich, füllig und warm, all das tanzte vor meinen Augen. Ein Federbett... So eins erwartete mich hinter der Tür, auf dessen Schild zu lesen war: Agentur Fiat Lux. Nestor Burma, Direktor. Diese Tür stellte das letzte Hindernis dar, allerdings ein Hindernis erster Güte. Unmöglich, meine Schlüssel zu finden. Endlich hielt ich sie in der Hand. Sie waren nicht in der Tasche, in die ich sie gewöhnlich stecke.
    Ich schloß auf. Trat ins Wartezimmer, dann in Hélènes Büro... Machen Sie niemals Pläne! Im Zimmer nebenan streckte mir das Sofa die Arme entgegen, aber irgendetwas sagte mir, daß ich es nicht sofort benutzen konnte... In Hélènes Büro herrschte ein heilloses Durcheinander. Schlecht geschlossene Schubladen zeugten von einer Durchsuchung. Ordner, die aus ihren Regalen genommen worden und nicht wieder an ihren Platz zurückgestellt worden waren. So schwerfällig wie ein mittelmäßiger Detektiv begann ich, die Gründe für meinen Überfall zu ahnen. Ich öffnete die Tür zu meinem Büro, betätigte den Lichtschalter. Das Zimmer wurde von einer Deckenlampe taghell erleuchtet. Ich blieb in der Tür stehen, um das Spektakel zu genießen, das für mich bereitgehalten wurde. Gleiche Unordnung, gleiches Durcheinander, die gleichen Spuren des Einbruchs. Ob etwas mitgenommen worden war, konnte ich im Augenblick schlecht sagen. Aber eins stach ins Auge: Die Einbrecher hatten mir etwas dagelassen!
    Der Schuh aus luxuriösem gelbem Leder lag nicht ganz so, wie ein anständiger Schuh liegt, wenn er leer ist. Er war auch nicht leer. Ein Fuß bewohnte ihn. Der Anfang, wenn man unten begann, eines menschlichen Körpers von normalen Ausmaßen, in guterhaltenem Zustand. Der Mann lag auf dem Boden, das Gesicht in den Falten des verrutschten Teppichs vergraben. Ich überwand meine Müdigkeit und hob vorsichtig seinen Kopf an den Haaren hoch. Um die Vierzig, etwas drüber. Jetzt würde er nicht mehr älter werden. Graue Augen, dünner Schnurrbart, schmale Lippen, starkes Kinn, krauses Haar. Monsieur Birikos. Nick Birikos. Der Grieche. Zur Hölle mit ihm!
    Ich ging in das andere Zimmer, in dem das Sofa stand, übersah jedoch das einladende Möbelstück. Ich verpaßte mir ein Heilmittel, dazu ein Aspirin, lehnte mich

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