Bilder bluten nicht
gestellt, nichts. Ich mußte geträumt haben. Und ich träumte wohl immer noch. Das reimte sich nicht zusammen. Es sei denn, man hatte mir die Brieftasche geklaut. Aber, verdammt nochmal, welch ein Aufwand, um eine Brieftasche zu klauen! Und dazu noch meine Brieftasche...
Ein Luftzug hatte das erste Streichholz ausgeblasen. Ein zweites wurde angerissen. Eine gelbe Flamme brannte. Wohl eine Kerze. Wie durch einen Schleier hindurch sah ich, daß der Clochard meine Brieftasche schwenkte, sie seiner zerlumpten Gefährtin hinhielt.
„Sieh mal, Baronässe, du kannst doch lesen...“
„Das ist ein Flic“, sagte die Clocharde nach kurzen Schweigen. „Ich hab dir doch gesagt, wir kriegen Schere…“
„Flic oder nicht, das ist mein Kumpel. Hab ihm das Leben gerettet. Er wird sich dran erinnern. Und weil er ein Flic ist, wird er uns mal aus der Patsche helfen..
„Das ist kein richtiger Flic. Das ist ein Privatdetektiv. Weißt du, was das ist, Bébert?“
„Nein. Ist das jetzt ein Flic oder nicht?“
„Das ist ein Flic, und auch wieder nicht.“
„Ach, Scheiße! Gib mir seine Brieftasche. Ich geb sie ihm wieder.“
„Ich kenn den Mann“, sagte die Baronässe mit veränderter Stimme. „Er und sein Kumpel...“
Der Clochard stand vor mir und verdeckte mich. Er beugte sich runter, meine Brieftasche in der Hand.
„Wir haben dir nichts geklaut, alter Kumpel. Unsereiner ist nämlich kein Dieb. Aber du wirst doch meine Gefälligkeit nicht vergessen, hm?“
Er schob die Brieftasche in meine Tasche. Das Licht ging aus. Ich hörte Flaschen gegeneinanderstoßen, dann ein vielsagendes Gluckern und Schnalzen mit der Zunge.
„He, Baronässe!“ protestierte der Clochard, „du säufst für dich allein, um diese Zeit?“
Sie spuckte ein Schimpfwort aus, dann: „Das wärmt.“
„Gib mal rüber.“
„Ich werde ihm selbst was anbieten“, sagte die zittrige Stimme der Frau.
Ich spürte, wie sie näherkam:
„Mach Licht, Albert, damit ich die Visage unseres Gastes sehen kann.“
„Sofort, Baronässe.“
Ein Streichholz wurde angerissen.
„Trinken Sie das“, sagte sie. „Das ist billiger Fusel, aber ich hab kein Geld, um etwas anderes zu kaufen. Früher, da hatte ich den Keller voll...“
Zaghaft schob ich die Flasche weg. Ich spucke nicht in Rotwein, aber im Augenblick konnte ich ihn nicht runterkriegen.
„Das ist kein Wein“, sagte sie, als hätte sie meine Gedanken erraten.
„Kein Wein?“ sagte der Clochard schluckend.
Vor Überraschung ließ er das Streichholz fallen.
„Was dann?“
„Rum!“
„Oh! Madame versteckt ihre Vorräte!“
„Jawohl, Monsieur.“
„Zeig das Etikett.“
„Gibt keins, und laß deine Kerze aus. Wir werden noch die Aufmerksamkeit auf uns lenken... Trink, Herzchen“, setzte sie hinzu.
Diese letzte Bemerkung war an mich gerichtet. Ich nahm einen Schluck Rum. Das tat gut.
„Geht’s besser?“
„Ja.“
„Das macht hundert Piepen.“
„Ja.
„Du blechst, bevor du abhaust.“
„Ja.
Der Clochard murrte:
„Und für mich auch hundert Piepen?“
„Hier hast du die Pulle“, sagte die Alte.
„Das ist gut“, stieß er hustend hervor.
„Das ist Fusel“, sagte sie.
Eine Art Lumpen wurde über meine Beine gelegt. Ich blieb ausgestreckt liegen. Es war nicht so kalt unter dieser Brücke wie ich gedacht hatte. Oder aber es war der Rum, der seine Wirkung tat. Langsam erholte ich mich. Sobald ich mich besser fühlen würde, würde ich in die Agentur sausen, mich auf ein sauberes Bett legen und meinen Schädel pflegen. Die beiden Clochards lagen zusammengerollt neben mir und unterhielten sich leise. Von Zeit zu Zeit umarmten sie die Flasche.
„Ich kenn den Mann“, flüsterte die Clocharde. „Oder er sieht jemandem ähnlich. Jemandem, den ich gekannt habe, als ich reich war..
„Als du Baronässe warst“, krächzte ihr Gefährte.
„Als ich Aurelienne d’Arnetal war...“
„Du fällst uns auf den Wecker. Du bist nicht aus dem Arnetal, du bist aus Villedieu-les-Poêles. „
„Blödmann. Alençon war bereits von Emilienne besetzt. Vor mir. Ich habe nur 1925 regiert...“
„Regiert!“
Er spuckte aus.
„Jawohl, Monsieur Blödmann. So nennt man das. Ich konnte mich auch nicht mehr de Villedieu-les-Poêles nennen...“
„Das wäre ’ne schöne Scheiße gewesen.“
„Ich nannte mich d’Arnetal... Es waren zwei, und sie wollten beide mit mir schlafen... Zusammen, fast... Das war ’n Ding, da konnte man schon schwach werden...“
„Nur
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