Bilder bluten nicht
ja, das ist eben der Beruf.“
„Was gibt’s denn?“
„Arbeit für die Polizei. Haben Sie uns angerufen?“
„Wann?“
„Eben. Von dem Lokal aus.“
„Nein. Sie sind angerufen worden?“
„Ja.“
„Nicht von mir. Weshalb glauben Sie „Ich weiß nicht. Vielleicht, weil ich Sie in meinem Revier antreffe. Etienne Larpent, sagt Ihnen der Name was?“
„Nein. Warum?“
„Nur so.“
Er kaute auf seinen Schnurrbarthaaren, dann, mit einer heftigen Kopfbewegung, die das Gleichgewicht seines Filzhutes in große Gefahr brachte:
„Kommen Sie. Haben Sie schon einmal einen Fuß in ein Lagerhaus gesetzt?“
„Nein, aber erzählen Sie mal. Das muß aufregend sein, mit einem Führer wie Ihnen.“
Ich folgte ihm, eingeklemmt zwischen ihm und dem Polypen, der hinter uns herkam. Im hinteren Teil des Flures, unter der Treppe, die nach oben führte, befand sich eine niedrige Tür; dahinter führte eine weitere Treppe in Kellerräume, eine steile Wendeltreppe mit ausgetretenen Steinstufen. Indem wir weiter hinabstiegen, stieg die Temperatur an. Wir gelangten auf einen Treppenabsatz, auf den ein greller Lichtschein aus einem kleinen Zimmer fiel, dessen Boden mit zerknülltem Papier und Bindfäden übersät war und in dem ein braungebrannter Mann vor einem wackligen Pult stand und rechnete. Zwei weitere Männer mit blaurasiertem Kinn trugen riesige Bananenstauden.
„’n Abend“, sagte Faroux. „Mein Freund würde gern mal die Räume sehen.“
„O.K.!“ gab einer der Männer mit spanischem Akzent zurück.
Sehr komisch, aber niemand lachte. Auf den ersten Blick sah der Bursche finster aus. Wir folgten ihm in einen schmalen Korridor. Er knipste das Licht an und öffnete die Tür zu einem Kabuff. Die Treibhaushitze wurde von vier kleinen offenen Gasbrennern erzeugt, die entlang der Wand ständig brannten. Die Bananenstauden hingen in langen Eisenhaken an Stangen und wechselten nach und nach die Farbe, vom grellsten Grün zum Kanariengelb.
„Sehr interessant“, sagte ich. „Und nun?“
„Kommen Sie“, sagte Faroux.
Wir gingen wieder zur Treppe zurück, gefolgt von den Blicken der Bananenarbeiter, die stumm wie Fische waren.
„Das sind Spanier“, erklärte Florimond. „Im Augenblick sind sie still. Normalerweise schreien sie ohne Pause herum, und man hat immer den Eindruck, sie wollten gerade einen Flamenco singen. Deshalb haben sie nichts gesehen und nichts gehört.“
„Gab es etwas zu hören?“
„Kommen Sie mit und sehen Sie, was es zu sehen gibt.“ Wir erreichten das zweite Kellergeschoß, wobei wir zwei- oder dreimal auf den glitschigen Stufen ausrutschten. Eine Lattentür mit einem hastig aufgebrochenen Schloß stand offen, und man sah einen langen, schmalen Keller. Die Beleuchtung war mies und dürftig, gerade mal eine Birne auf dem Treppenabsatz und eine weitere am Gewölbe. Sie sparte dunkle Ecken aus, wo es vor Spinnen nur so wimmeln mußte. Lattenkisten, Versandkörbe, Verpackungsmaterial, alles stapelte sich hier. Wie oben, wie in jedem beliebigen Winkel dieses verdammten Viertels trat man auf Packpapier und Bindfäden.
Zwei Männer zeichneten sich im hinteren Teil des Kellers im grellen Licht einer Karbidlampe ab, die ein Polizist schwenkte. Es sah aus wie ein Schattenspiel. Sie beugten sich über den Boden, und ihre Schultern schienen zusammengewachsen. Als wir näherkamen, richteten sie sich auf, lösten sich voneinander und drehten sich um.
Der Mann trug luxuriöse Schuhe aus weichem Leder und einen dunkelgrauen Anzug, der aus dem Atelier eines bekannten Schneiders stammte. Seine Weste war aufgeknöpft, und sein Seidenhemd stand über der Brust weit offen. Obwohl seine Kleidung in Unordnung geraten war, bewahrte er eine gewisse Eleganz. Eine stattliche Erscheinung... wenn er stand. Im Augenblick lag er, und das würde auch noch lange so bleiben. Ein oder mehrere Schüsse - voll ins Visier - hatten die Hälfte des Gesichtes weggerissen. Das versagte ihm für immer den aufrechten Gang.
3
Nichts als Salat
„Ah, Chef...“ begann ziemlich aufgeregt einer der Polypen, wobei er Kniebeugen machte, um die Steifheit aus seinen kurzen Beinen zu vertreiben, „wir wollten ihn gerade ausziehen, und da...“
Jetzt bemerkte er mich neben Faroux. Sofort hielt er den Mund.
„Später, später“, sagte der Kommissar mit einer kleinen Handbewegung, autoritär wie ein Priester. „...Hier ist das Objekt“, fügte er, zu mir gewandt, hinzu und zeigte auf den Körper, der auf dem
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