Bilder von dir: Roman (German Edition)
Haus fror, konnte plötzlich die kühlen Linoleumböden unter ihren nackten Teenagerfüßen spüren. Roch die muffige Feuchte, die in den schäbigen Teppichen und orangefarbenen Vorhängen hing. Hinter ihr spürte sie Amys Bücherregal, deren Bretter durchhingen unter dem Gewicht viel zu vieler Bücher über Filme und Monster und Kreaturen und den verschiedenen Methoden, sie zu erschaffen. Mona hatte jedes Mal Angst, das Bücherregal könnte in der Nacht umkippen und sie in ihrem Schlafsack auf Amys kaltem Boden erschlagen. Wenn sie bei Amy übernachtete, konnte sie nie schlafen.
»Was meinst du mit: Es wird schon – wirst du es, du weißt schon – äh, abtreiben?« Mona errötete so heftig, dass sie fest daran glaubte, ihr Kopf würde entflammen.
»Nein.« Amy blinzelte heftig. »Nein, das möchte ich nicht – ich möchte das nicht. Ich möchte sehen, was passiert. Außerdem kostet das auch Geld, das ich nicht habe. Ich brauche alles, was wir kriegen können – alles, für uns beide. Wir brauchen Geld, um von hier wegzugehen.«
»Oh, mein Gott, Amy, es ist – was wirst du …«
»Genau das werden wir nämlich tun.« Amy räusperte sich. »Ich haue ab an die Küste, nach Jersey. Ocean City. Da kommt man leicht hin, und es ist eine große Stadt, aber nicht zu groß, und es ist kein typischer Ort für Ausreißer wie New York. Ich werde nicht verloren gehen, aber finden wird man mich auch nicht. Und ich kann als Kellnerin jede Menge Kohle verdienen, während ich dicker werde …« Sie ließ ihre Hände über ihren Bauch kreisen, der, wie Mona feststellte, als sie jetzt genauer hinsah, größer als normalerweise war. Und Amy hatte in letzter Zeit auch weitere Kleidung getragen, o Gott , warum hatte sie das nicht gesehen – warum war es ihr nicht aufgefallen –, wie konnte sie sich ihre beste Freundin schimpfen?
»Dann werde ich genug Geld haben, um nach L. A. zu gehen. Und das war’s dann.«
Monas Mund war so trocken, dass sie nicht schlucken konnte. »Aber was willst du mit dem Baby machen?«
Amy hielt den Kopf schief. »Wie meinst du das?«
»Ich meine … wenn du keine Abtreibung vornehmen lassen willst, Amy, dann wirst du ein Baby bekommen. Ein Baby. Es wird dich brauchen …«
»Hältst du mich etwa für blöd? Ich werde es nicht behalten. Soll doch jemand anderer das Ding großziehen«, sagte Amy. »Ich bin doch nicht bekloppt.«
»Warst du beim – na ja, Arzt? Um sicherzustellen, dass alles …«
»Jones.« Amy klopfte auf ihr Bett, damit Mona sich hinsetzte. »Nach all den Geschöpfen, die ich ganz allein und ohne Anleitung erschaffen habe, glaubst du doch nicht im Ernst, dass ich nicht genau weiß, wie man noch eins macht?«
Mona sank neben Amy auf dem Bett zusammen und bebte unter der Last zu vieler Informationen. Offenbar reichte ihr Gehirn nicht aus, das alles zu verarbeiten, und sie benötigte ihren ganzen Körper dazu. »Okay«, sagte sie und räusperte sich. »Darf ich dich fragen … wer …?«
»Wer glaubst du wohl?«, antwortete Amy, und es war das einzige Mal, dass Mona dachte, Amy würde weinen. Aber sie tat es nicht: Sie wurde stattdessen wütend. »Wir haben immer aufgepasst, immer diese geheimnisvollen kleinen Dinger benutzt, deren Existenz sie uns in der Gesundheitserziehung verschweigen. Bis auf ein Mal. Erinnerst du dich, als ich dir meine Tasche an den Kopf warf?«
»Auf dem Ball? Was, da war was in deiner Handtasche?«
Es schien so eine kindische Frage zu sein, dumm und naiv, und als Amy nicht darauf antwortete, empfand sie das umso mehr. Mona errötete wieder und hielt sich mit den Händen die Augen zu, und als Amy dann sagte: »Also ist es in gewisser Weise deine Schuld « , machte Mona sich nicht klar, dass Amy durch die Umstände viel zu aufgewühlt war, um für ihr Tun die Verantwortung zu übernehmen und stattdessen lieber darauf baute, mit der Hilfe einer Freundin rechnen zu können. Deren Schuldgefühle sie schürte, damit Mona sich mit ihr die Last der Folgen teilte. Da stimmte etwas ganz und gar nicht. Schweigend saßen sie auf dem Bett.
»Dann kommst du also mit mir mit«, sagte Amy mit dünner Stimme. »Außerdem ist es eine gute Gelegenheit, aus Ruby Falls rauszukommen. Du weißt doch, dass wir nicht hierhergehören. Wir sind zum Reisen geschaffen. An ferne Orte. Von uns wird erwartet, dass wir Postkarten zurück nach Ruby Falls schicken.«
»Ich wünschte, du wärst hier«, sagte Mona munterer als ihr zumute war. »Froh, dass ich nicht dort
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