Bilder von dir: Roman (German Edition)
bin.« Sie schluckte. »Wann? Und wie?«
»Ich habe einen Plan«, sagte Amy, genau, wie Mona das von ihr erwartet hatte. »Ich habe etwa fünfhundert Dollar gespart.« Amy beugte sich vor und zog einen dicken Umschlag zwischen Matratze und Federung heraus. »Ich habe den Secondhand-Camcorder verkauft, den mein Großvater mir zu meinem Geburtstag geschenkt hat, und das brachte noch mal hundertfünfzig. Wir können uns von den Brummis mitnehmen lassen, die nach Syracuse fahren, und von dort dann den Bus nehmen. Der Greyhound kostet einfach für jeden fünfzig Dollar, und wir werden auch irgendwo übernachten müssen, aber im Moment ist in den Motels keine Saison, und wir werden sicherlich was Billiges finden, wenn wir erst mal da sind. Und was zu essen – also darum kümmern wir uns später. Aber wir brauchen mindestens acht- oder neunhundert, ansonsten kommen wir nicht weiter, wenn wir zu arbeiten anfangen, sondern treten nur auf der Stelle.«
»Ich habe einen Sparvertrag fürs College, aber an den komme ich ohne meine Eltern nicht ran«, sagte Mona. »Entschuldige, das war nicht sehr hilfreich. Ich denke nur laut.«
»Hast du denn gar nichts gespart?«
»Vielleicht hundert in bar. Babysitterjobs. Außerdem hab ich bei uns im Haus ein paar zusätzliche Aufgaben übernommen, für die meine Eltern mich bezahlt haben.«
»Hast du denn gar nichts, was sich verkaufen ließe?« Amys Augen waren groß und ihr Blick stechend. Sie zielte dabei auf etwas Spezielles ab, und plötzlich wusste Mona auch, was es war: die Manschettenknöpfe. Amy wollte von ihr, dass sie die Manschettenknöpfe mit dem Diamanten und dem Edelstein verkaufte, die einmal William Fitchburg Jones gehört hatten. Dieser hatte sie von Daniel Darby bekommen und danach waren sie bis zu Monas Vater in der Familie Jones weitervererbt worden, und eines Tages würden sie Mona gehören, wie ihre Eltern ihr das ihr ganzes Leben lang angekündigt hatten. Und dann gehörten sie Monas Kindern und so weiter und so fort. Sie waren gar nicht so wahnsinnig wertvoll, aber sie waren schön, aus rotem Jaspis mit kleinen Diamantsplittern. In einem Pfandhaus bekäme man dafür vielleicht ein paar hundert Dollar, offenbar genau das, was Amy brauchte. Es war nur – meine Güte, sie gehörten zum Haus .
»Im Grunde genommen gehören sie dir doch schon«, erinnerte Amy sie gelassen.
Damit hatte sie nicht unrecht. Mona brummte der Kopf. Das waren zu viele Entscheidungen für einen Nachmittag, viel zu viele Dinge zu erfassen, zu vieles, was erledigt werden musste, zu vieles.
»Ich kann einfach nicht – ich kann nicht in Ruby Falls bleiben und schwanger sein. Das wäre viel zu deprimierend«, sagte Amy mit einer Stimme, die Mona noch nie zuvor gehört hatte, während dieses Sommers in New Jersey aber von Zeit zu Zeit hören würde und die später immer mal wieder für den Rest ihres Lebens in ihrem Kopf nachhallen sollte: hohl und farblos und fest davon überzeugt, dass es keine andere Möglichkeit gab als diese. Es gab keine andere Zukunft als diese. »Ich glaube, dann würde ich mich umbringen, Mona.«
»Was gibt es denn in Ocean City?«, fragte sie.
Amy blinzelte. »Eine Promenade, einen Strand, einen Vergnügungspark. Kinos. Möwen. Funnel Cake.«
»Leihhäuser?«
Sie lächelte. »Bestimmt. Irgendwo.«
Mona zitterte, aber sie streckte ihre Hand aus, und Amy schüttelte sie – denn Amy benötigte ihre Hilfe so sehr, dass sie sogar darum bat. Und weil Mona schon damals wusste, dass Amy keine Ahnung hatte, was ihr tatsächlich bevorstand, nicht, dass sie selbst es besser wusste, aber sie hoffte, es zu wissen. Oder hoffte, es zu wissen, wenn der Zeitpunkt gekommen war.
Mona schlug die Augen auf und sah die Bäume, die die längste Zeit von Amy Hendersons sehr kurzem Leben vor ihrem Fenster gestanden hatten. Ihr war sogar kälter als zuvor, und als sie wieder in ihrem Wagen saß, kurbelte sie sämtliche Fenster hoch und drehte die Heizung voll auf.
Die restliche Zeit des Freitags verbrachte Mona im Darby-Jones und entwarf Muster für eine Kundin (Rebecca Applewhite-zukünftige-Gretsch), mit der sie sich in der folgenden Woche treffen würde. Zu Mittag machte sie sich Grillkäse und Tomatensuppe, merkte dann aber, dass sie überhaupt keinen Appetit hatte, und brachte alles hoch zu Arthur, der so vertieft darin war, die Waters-Kessler-Abzüge zu einem Album zusammenzustellen, dass er ansonsten das Mittagessen hätte ausfallen lassen. Oneida kam um 15:00 Uhr nach
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