Bilder von dir: Roman (German Edition)
Hause und steckte ihren Kopf ins Büro, wo Mona über ihren Skizzen saß und nebenbei einen alten Kate-Hepburn-Film im Kabelfernsehen anschaute, um sie zu bitten, sie um 18:30 Uhr noch mal zur Schule zu fahren.
»Halloween-Karneval. Tanz.«, sagte sie, als Mona den Grund wissen wollte. »Eugene hat mich aufgefordert. Ich kann dir den Zettel zeigen, wenn du möchtest.«
»Ich vertrau dir«, sagte Mona.
Sie hatten seit Sonntagabend, seit jenem sotto voce »Danke« kaum miteinander gesprochen. Mona glaubte nicht, dass sie einander absichtlich aus dem Weg gingen – was schon mal ein Fortschritt war. Ihre Leben, die sich früher einmal eine Spur geteilt hatten, liefen nun einfach parallel nebeneinander her. Und Mona wäre es sehr lieb gewesen, wenn sie das mit mehr Gelassenheit hätte hinnehmen können – denn natürlich wusste sie, dass das völlig normal war, dass genau das passieren musste, wenn Kinder (und Eltern) erwachsen wurden. Sie fragte sich allerdings besorgt, wie Oneida in dieser Verfassung die Wahrheit aufnähme, die Mona ihr erzählen wollte; bestand da nicht die Gefahr, dass Oneida womöglich gänzlich und irreparabel von ihrem Parallelkurs abkam? Doch dagegen konnte sie jetzt ohnehin nichts tun, außer den Augenblick mit Bedacht und voller Hoffnung wählen. Und dankbar sein und sich freuen, dass Oneida, zum ersten Mal seit der Pubertät – ihre Oneida, diese seltsame, wunderbare Außenseiterin mit leichter Persönlichkeitsstörung von einer Tochter – zu einem gesellschaftlichen Ereignis der Schule ging. Mit einem Freund. Es war ein kleines Wunder, aber nichtsdestoweniger ein Wunder.
Um 18:30 Uhr verließen Mona und Oneida das Haus, Mona mit dem Geld für den Imbiss und Oneida in ihrem langen Wintermantel. Den Mantel fand Mona merkwürdig (draußen war es nicht kalt), aber auch wieder nicht so sonderbar, dass sie sie darauf ansprach. Während der Fahrt erfuhr Mona, dass die Band von Eugenes älterer Schwester auf dem Karneval spielte und Oneida darauf hoffte, auf dem Heimweg von Eugenes Eltern mitgenommen zu werden. Mona biss sich auf die Lippe.
»Ich würde dich lieber selbst abholen«, sagte sie.
»Mein Gott, Mom, das sind keine Irren . Sie kennen den Unterschied zwischen Gaspedal und Bremse und so.«
»Dieser Ton gefällt mir nicht.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann lachten Mutter und Tochter los.
»Oh, mein Gott , jetzt rede ich schon daher wie Bert«, wieherte Mona. Oneida kicherte und rieb sich das rechte Auge. Sie lächelten beide immer noch, als Mona mit dem Kombi in die kreisförmige Einfahrt der Highschool einbog.
»Nur für den Fall … ruf mich an, wenn du abgeholt werden musst oder dich nicht sicher genug fühlst, bei jemandem mitzufahren«, sagte Mona zu Oneida, die bereits mit einem Bein draußen war. Oneida drehte sich um und nickte mit zusammengepressten Lippen. »Aye, aye, Mom«, sagte sie und schlüpfte aus dem Wagen. Mona sah ihrer Tochter hinterher, als diese über den Betonweg zum Eingang der Ruby Falls High hinauflief. Von hinten hätte man Oneida für eine Erwachsene halten können. Oder für eine Fremde.
Sie fuhr zur Milky Way Bar and Grill, holte das Essen ab und stand gleich darauf wieder in ihrer Küche, ohne zu merken, wie die Zeit verging. Anna, die sich nicht die Mühe machte, einen Teller zu nehmen, sondern ihr Gericht gleich aus dem Styropor löffelte, hielt mittendrin inne, um zu bemerken, dass Mona sich seltsam benahm. Aß sie etwa nichts weiter als ein Müsli zum Abendessen?
»Ich bin nicht so hungrig«, erklärte Mona. »Ich glaube, ich hab mir was eingefangen.«
Sie spülte ihre Müslischale aus, schnappte sich Zitronen, Tequila, ein Messer und ein Schneidbrett und ging damit hoch auf ihr Zimmer und schloss die Tür. Jetzt blieb nur eins zu tun: sich betäuben und an Arthurs Tür klopfen. Sie stellte das Schneidbrett auf die Badezimmerablage und schnitt alle drei Zitronen auf, bevor sie merkte, dass sie vergessen hatte, ein Glas mitzubringen.
»Dann werde ich ihn wohl direkt aus der Flasche trinken müssen«, sagte sie und setzte sich auf den geschlossenen Klodeckel. Sie setzte sich die Flasche an die Lippen. Sie war voll und schwer und beim ersten Schluck knallte sie ihr gegen die Zähne.
Außerdem hatte sie vergessen, den Salzstreuer mitzubringen. Schlechte Planung , sagte sich Mona und lachte albern, obwohl sie noch kein bisschen beschwipst war. Sie nahm den nächsten Schluck, einen langen, kräftigen, setzte die Flasche ab und
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