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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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Moment hatte Oneida so tief getroffen, dass sie zu ihm nach Hause ging, um sich wagemutig dem zu nähern, was ihr Angst machte, sie aber immer mehr faszinierte. Aber alles, was sie mit ihm angestellt hatte, war – ja, was war es gewesen? Es war leicht gewesen. Er war so durchschaubar und so überraschend leicht zu erobern gewesen, und es war so ein schönes Gefühl, so viel Kontrolle über jemanden zu haben, wenn alles andere in deinem Leben den Bach hinuntergeht. Es war schön gewesen, mit Eugene Wendell zu spielen.
    Und jetzt war er kaputt.
    Weiß und rot aufblitzende Lichter punktierten die Schwärze der Bleeker Road, und die Sirene war lauter denn je. Oneida trank die Schlucke sieben, acht und neun und griff nach Eugenes Hand, die ein wenig kühl war und in ihrer nicht lebendig wurde. »Wach auf, Eugene«, flüsterte sie in seine große rosa Ohrmuschel. »Bitte wach auf.«
    Eine Hand klopfte kräftig an ihre Scheibe, drei Mal. Drei Erinnerungen an die Welt, die da draußen vor Eugenes Unterwasserauto existierte, aber gar keine Existenzberechtigung hatte und zu der Oneida sich ohnehin nie zugehörig gefühlt hatte.
    Arthur holte sie ab. Er kam durch die Drehtür der Notaufnahme. Er sah schrecklich aus, und dafür war die kranke Neonbeleuchtung nur zum Teil verantwortlich. Er hatte seit Wochen nicht mehr so schlimm ausgesehen, was den Rückfall – das lose heraushängende Hemd, das Gesicht bleich und unrasiert, die Augen rotgerändert und glasig – nur umso verstörender machte. Oneida konnte nicht umhin, ihn auf eine bestehende Ähnlichkeit zu mustern, nachdem ihr eingefallen war, dass er ihr Vater sein könnte. Würde ihre Nase eines Tages so aussehen? Waren das ihre Ohren, ihre Arme, war das ihr Gang? Sie dankte Gott dafür, dass sie betrunken war. Nüchtern hätte sie damit unter keinen Umständen umgehen können.
    »Hi, Arthur«, begrüßte sie ihn.
    »Hast du – hast du was getrunken?« Arthur fächelte die Luft zwischen ihnen, in der eine kleine Wodkawolke zu hängen schien.
    »Schon möglich.« Sie rieb sich mit dem Handrücken die Nase. »Wo ist Mom?«
    »Wie die Mutter, so die Toch…«, murmelte Arthur rätselhaft, bevor ihm die Stimme versagte und er die Farbe von Magermilch annahm. »Sie – sie meldet dich ab. Am Empfang.«
    Im Warteraum wimmelte es. Ein kleines Kind drückte sich einen Eisbeutel in einem Baseballhandschuh gegen das Knie und hatte Schluckauf, einen heftigen Schluckauf, der seinen kleinen Körper erschütterte, als würde es schluchzen (vielleicht schluchzte es ja auch, wie sollte sie das beurteilen, sie konnte kaum ihr Gehirn spüren). Schwestern und Ärzte und Leute, so viele Leute, liefen herum, drängelten, humpelten, eilten kreuz und quer, immer haarscharf an einem Zusammenstoß vorbei, zwischen der Anmeldung und dem Wartebereich und dem Flur mit den kleinen Alkoven, wo man sie hinter den halblangen Vorhängen auf einen Tisch gesetzt, sie mit einer kleinen Taschenlampe geblendet und zwar für ein wenig betrunken, aber ansonsten heil erklärt hatte. Jemand hatte ihre Mom angerufen – sie glaubte sich zu erinnern, ein Formular mit ihrem Namen und ihrer Telefonnummer ausgefüllt zu haben. Freitagnacht, Vollmond, Halloween – dann war es also kein Mythos, dass in den Notaufnahmen alles drunter und drüber ging wie hier. Vielleicht lag es aber auch am Wodka, durch den alles viel lauter und greller zu sein schien und ihr im Zentrum all dessen das Gefühl gab, langsam und erschöpft zu sein und mit all diesen blöden Menschen, die wie Guppies herumflitzten, überhaupt nichts anfangen zu können. Sie war sich nicht mal sicher, ob das, was sie empfand, am Rausch oder am Schock lag. Ein solches Gefühl hatte sie bisher nicht gekannt.
    Und dann Mona. Die sogar noch schlimmer aussah als Arthur, was Oneida nicht für menschenmöglich gehalten hätte, wenn sie sie nicht mit eigenen Augen gesehen hätte – in karierter Pyjamahose und Sandalen, mit wirren Haaren, verquollenen roten Augen, aus denen Tränen tropften. Ich habe das zu verantworten, überlegte Oneida. Ich bin schuld daran, dass Mona in diesem Zustand ist. Und Oneida hätte beinahe wieder gekotzt, direkt auf den Fußboden der Notaufnahme.
    »Mom«, sagte sie. Mona fing zu weinen an. Weinte tatsächlich. Dann schwankte sie auf ihren Beinen und knallte gegen Arthur, und Oneida begriff, was er gemeint hatte, als er sagte: Wie die Mutter, so die Tochter ; Mona war betrunken. Nicht die Sorge hatte sie derart erschüttert,

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