Bilder von dir: Roman (German Edition)
Harryhausen hatte sich in ihrer Tasche übergeben, als ihr nur noch eine knappe Stunde Zeit bis zum Rückflug von Burbank blieb. Und jetzt, nach einer Zeitspanne, die fast so lang war wie die ihrer gesamten Freundschaft mit Amy, sah sie Harryhausen als voll ausgewachsene Katze wieder, die sich in einem massigen Haufen aus Fell und Fett auf ihrer Treppe niederließ – und hörte dann im Krankenwagen den unter Morphium stehenden, und wie einen Idioten grinsenden Arthur sagen, Hi, Amy. Ich habe dich vermisst.
Da hatte Mona, deren Rücken an einer Wand voller Regale mit Nadeln und Schläuchen und Bandagen lehnte, Arthurs Hand gedrückt, und er hatte sie – sie , Mona – als schön bezeichnet, was für sie ein Schock war, aber schließlich haben wir alle schon einmal dummes Zeug von uns gegeben, wenn Opiate in Krankenhausqualität im Spiel waren. Von seinen Augen sah man nur noch das Weiße und er sank wieder weg, und die Rettungssanitäterin, die mit Gaze die nässenden Schnittwunden auf seiner Brust abtupfte, sagte leise, fast wie zu sich selbst: »Sie ist direkt hier. Sie ist hier.« Die Sanitäterin hatte heufarbenes Haar, und der seltsame Geruch, scharf und chemisch, den Mona einatmete, erinnerte sie daran, wie sie ihren Vater zum letzten Mal auf der Intensivstation gesehen hatte, und da merkte Mona, dass die Sanitäterin genauso verwirrt war wie Arthur und sie tatsächlich für Amy hielt, und sie lachte, viel zu laut, denn das ergab doch alles keinen Sinn.
Mona war ratlos, wo sie mit dem Zusammensetzen der Teilchen beginnen sollte. Sie wusste nur, dass alle Anzeichen auf Amy Henderson verwiesen, die Freundin, die sie in einem anderen Leben gehabt hatte, und die Aufgabe, diese beiden Monas unter einen Hut zu bringen – die loyale Handlangerin und beste Freundin mit der Landbäckerin und alleinerziehenden Mutter – überwältigte sie. Mein Gott, was hatte sie Amy zu sagen? Was würde Amy ihr zu sagen haben?
All das brach kurz nach Mitternacht über Mona herein, nachdem sie Arthur nach Hause und zu Bett gebracht hatte. Und als sie danach Oneida zudeckte, breitete sich in ihr ein aus Entsetzen und Furcht gemischtes Gefühl aus, überlagert vom Grauen jener Zeit (und deren Verlust), und es kostete sie alle Kraft, die sie hatte, in ihr Zimmer zu gehen, sich das Gesicht zu waschen, die Zähne zu putzen, die Schuhe abzustreifen, Jeans und T-Shirt auszuziehen, bevor sie auf dem Fußboden auf die Knie fiel, die Jeans noch um die Knöchel. Das Gewicht von sechzehn Jahren legte sich wieder auf ihre Schultern, wie ein Elefant, der das Gesäß verlagerte. Mona grub ihre Finger in den dunkelgrünen Teppich aus grober Wolle, der ihr ganzes Leben lang in ihrem Zimmer gelegen hatte und von Amy geliebt worden war, weil er die perfekte Höhe für winzige Monster auf Streifzug hatte.
Was hatte Amy getan?
Was wusste Arthur?
Sie kroch ins Bett und zog sich die Decke hoch bis ans Kinn und dachte an die Amy, die sie gekannt hatte – und wie könnte sie heute anders sein? Amy war unveränderlich, Amy war noch immer sechzehn – und diese Amy erzählte niemandem etwas, also konnte sie mit Sicherheit davon ausgehen, dass Arthur Rook keine Ahnung hatte, wirklich keine Ahnung, in was für ein Schlamassel er da geraten war. Das silberne Band, über das Bert sich beim Essen derart ereifert hatte, lag in der Tat um Arthurs Ringfinger – hieß das also, Arthur und Amy waren Ehemann und Ehefrau? (Hatte sie ihn betrogen, ihn verlassen?) Nicht, dass sie je damit gerechnet hätte, von Amy über ihre Hochzeit informiert, geschweige denn dazu eingeladen zu werden, aber wann war das geschehen? Sie stellte sich einen schlafenden Arthur vor, der flach auf dem Rücken in dem Bett lag, das einst ihren Eltern gehört hatte, und versuchte sich Amy vorzustellen, die neben ihm schlief, wie sie das womöglich getan hatte. Aber es war unmöglich. Mona hätte für ihre Amy ein verrücktes Genie zum Ehemann ausgesucht, wenn sie überhaupt jemals geheiratet hätte. Jemanden, dem seine unbändige Intelligenz ins Gesicht geschrieben stand, mit knorrigen Händen, einem fantastischen Bart. Keinen sanften und süßen unauffälligen Weltraumkadetten, dessen gesamtästhetisches Erscheinungsbild sich am besten mit Biologielehrer der Highschool beschreiben ließ.
Hast du es mir je sagen wollen, Amy? , überlegte sie und zog sich die Decke über den Kopf.
Also war die Amy von heute, wie die Amy von damals, verschlossen wie eine Auster, die kommentarlos ihr
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