Bilder von dir: Roman (German Edition)
konnte. Ben hatte sich im Darby-Jones eingemietet, damit er nicht täglich von Syracuse hierher pendeln musste, wo er mit seiner Verlobten wohnte, die dort ihren Master an der Universität machte. Ende Mai, als der musikalische Direktor auf Krücken wieder an die Schule zurückkehrte, zog er aus dem Darby-Jones aus, und obwohl er in den nächsten fünf Jahren immer wieder zurückkam, um das Frühlingsmusical zu leiten, wohnte er nach diesem Frühjahr nicht mehr im Darby-Jones.
Aber in jenem Frühjahr gehörte er zu Monas Alltagsleben. Ben fuhr sie nicht nur zur Schule, sondern aß auch mit ihr zu Abend, saß mit ihr vor dem Fernseher und, verdammt, schlief (im selben Haus) mit ihr, was Mona eine derart große Beliebtheit einbrachte, wie das für eine Siebtklässlerin völlig ungewöhnlich war. Und zwar so greifbar, dass es sie überraschte: Man konnte sie tatsächlich spüren . Die Luft war anders, wenn Leute, die man selbst nicht kannte, noch Augenblicke, bevor man einen Raum betrat, über einen geredet hatten. Dann spürte sie ein Zucken im Rücken und merkte, dass sie beobachtet wurde, über sie geredet wurde. Mochte die Neugier der Leute auch noch so echt sein – Hast du ihn im Schlafanzug gesehen? Was isst er denn gern? Was schaut er sich im Fernsehen an? –, Mona wurde den Verdacht nicht los, dass keiner aus Bens Fanklub ihr Glück für gerechtfertigt hielt. Dessen Fragen waren hungrig und auch ein wenig heimtückisch, und ihre Antworten wurden mit gierigem Lächeln und schmalen Augen quittiert. Wer war diese Mona Jones , glaubte sie sie sagen zu hören, dass es diesen schönen Mann in ihrem Leben gab? Sie wüsste doch nicht einmal, was sie mit ihm anfangen sollte .
Amy gab ihr nie das Gefühl, sich Bens wegen blöd vorkommen zu müssen. Wie üblich machte Amy auf Mona kaum den Eindruck, von Bens Existenz zu wissen oder mitzubekommen, dass Mona durch diese Verbindung ihre fünfzehn Minuten Ruhm erlebte. Amy hatte sich nie erkundigt, ob Mona und Ben sich ein Badezimmer teilten (Amy wusste , dass Mona sich nie ein Badezimmer mit einem Mieter teilen musste, das war eine der Regeln des Darby-Jones). Amy kicherte nie hinter vorgehaltener Hand darüber, wie lustig Ben war – Hast du gehört, was er gestern Abend bei der Probe gesagt hat? – oder geriet ins Schwärmen darüber, wie Ben seine Hand auf ihre Schulter gelegt hatte, während er in eine Szene eingriff. Deshalb war Amys Reaktion auf Monas Worte Ich bin in Ben verliebt ein absoluter Schock für Mona – wer war nicht in ihn verliebt, und sei es auch nur ein bisschen? –, denn Amy wurde blass und sagte Mona, sie solle den Mund halten.
Im Fernsehen spuckte Godzilla eine Feuersäule auf den Megagodzilla.
»Was ist denn?« Mona hustete. »Was ist, Amy?«
»Du bist nicht lustig.« Amy prüfte ihre Nägel. »Ich weiß, dass du dich manchmal dafür hältst, aber du bist es nicht.«
Mit ihren dreizehn Jahren dämmerte Mona die Erkenntnis, dass sie mit ein wenig Übung ein lustiges Mädchen werden könnte – sie brachte ihre Mutter so sehr zum Lachen, dass sie die Zeitung ablegen und sich die Augen mit dem Taschentuch trocknen musste –, war aber im Umgang mit ihrem Humor noch ein wenig unbeholfen, wie ein kleines Kind, das mit einer großen Gummikeule wedelt. Das Gefühl, das sie erfasste, wenn sie Leute mit Absicht zum Lachen brachte – echtem Lachen –, überzeugte Mona jedoch davon, dass ihr angeborener Humor es wert war, trainiert, geschliffen und angewendet zu werden, obwohl er noch ein wenig linkisch und unberechenbar war. Aber an wem sollte man üben, wenn nicht an den Freunden? Sollten sie nicht als erstes und nachsichtiges Publikum zur Verfügung stehen? Und deshalb verletzte es ihren Stolz, zumal Mona gar nicht versucht hatte, besonders lustig zu sein. Könnte sie sich doch nur daran erinnern, was sie überhaupt auf die Idee gebracht hatte zu sagen, sie sei in Ben verliebt. Es war aus einem Impuls heraus passiert, wie alles, was sie sagte oder tat; zwischen dem, was Mona dachte, und dem, was Mona tat, lag niemals mehr als die Hälfte eines halben Herzschlags.
»Es tut mir leid, Amy. Was habe ich …«
Amy seufzte und legte ihre Hände flach auf die Beine. Ihre Nägel sahen aus, als hätte sie sie in glitzernde Algen getaucht.
»Du hast nichts getan .« Dabei stierte sie geradeaus in den Fernseher. »Mach dir nichts draus.«
Mona kaute an der Innenseite ihrer Wange herum. Amy seufzte erneut. Sie öffnete den Mund und schloss
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