Bilder von dir: Roman (German Edition)
zurückziehen und sich schützen wollte, aber Arthur griff noch mal nach ihren Händen und hielt sie fest. »Sie sind mir gegenüber zu nichts verpflichtet«, sagte er.
»Das weiß ich«, sagte sie.
»Danke«, sagte er.
»Wofür?« Sie wollte einfach hören, was er gesagt hatte, redete sie sich ein. Das war kein billiger Trick, um ihre Hände noch eine Sekunde länger und danach noch eine zu halten. Oh Scheiße, Mona , überlegte sie, hier könnte dein Herz drin sein. Diesmal könnte es dein Herz wirklich erwischt haben. Das ist so – so ungerecht, so verkorkst, warum muss das erste Frischfleisch, das nach Jahren in dein Leben kommt, so verdorben sein. Das ist Amys Schuld. Amy hat alles – alles in deinem Leben – bestimmt.
»Zum Beispiel, dass Sie nicht die Polizei gerufen haben?« Arthur hielt den Kopf schräg. »Mich gefüttert haben? Mich hier haben schlafen lassen?«
»Für die zweite und dritte Sache haben Sie bezahlt.« Mona drehte ihre Hände um, sodass nun ihre und Arthurs Handflächen aufeinanderlagen. Sie rieb die Außenseite seines kleinen Fingers mit ihrem Daumen. Und musste dabei an die Schwüre mittels ihrer kleinen Finger denken, die sie mit Amy ausgetauscht hatte. Sie fühlte sich elend und glücklich. »Es sei denn, Ihr Scheck ist nicht gedeckt. Er wird doch nicht platzen, oder?«
»Sollte er eigentlich nicht.«
»Gut.«
»Ich muss Ihnen was sagen.« Er schniefte. »Es scheint mir wichtig zu sein.«
»Schießen Sie los.«
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und blickte zu ihr hoch. »Keiner weiß, dass ich hier bin.«
»Was soll das heißen?«
»Keiner weiß, dass Amy tot ist. Keiner an dieser Küste, Sie sind die Erste. Ich konnte es – konnte es niemandem sagen. Vor Ihnen.«
»Wollen Sie damit sagen, Ihre Familie glaubt, Sie seien noch immer in L. A. ? Und dass Amy noch – dass alles noch normal ist?«
»Ich sollte sie wohl anrufen, oder?« Er wollte Mona seine Hände entziehen, aber sie hielt sie instinktiv fest und zog ihn zurück. »Wie soll ich das erklären?«
»Das brauchen Sie nicht«, sagte Mona. Ihre Handflächen schwitzten. »Sie bleiben hier, solange Sie hierbleiben wollen, Arthur. Verstecken sich. Amy hat Sie um Herz und Verstand gebracht. Ich werfe ihr das nicht vor, schließlich ist sie nicht aufgewacht, um zu sagen Heute werde ich sterben und nehme Arthurs ganze Welt mit mir – aber getan hat sie es. Also tun Sie, was Sie wollen – rufen Sie Ihre Familie an und tun Sie so, als wären Sie zu Hause und alles in Butter, mir ist das egal. Man wird Ihnen das nachsehen. Aber lassen Sie sich Zeit.«
»Darum kann ich Sie nicht bitten. So ein Mensch bin ich nicht, jedenfalls möchte ich nicht so einer sein.«
»Arthur.« Sie ließ ihre Stimme fester klingen. »Lassen Sie mich Ihnen was über den Trauerschmerz sagen. Das ist ein hinterhältiger Mistkerl, der weder Herz noch Gewissen und schon überhaupt kein Zeitgefühl hat. Meine Eltern haben mich bekommen, als sie beide schon etwas älter waren, und sie starben beide relativ jung an einem Herzleiden, nur ein paar Monate nacheinander, das ist jetzt lange her. Aber wissen Sie, wann mir letztlich klar geworden ist, dass sie nicht mehr sind? Zwei Jahre nach ihrem Tod .« Mona holte tief Luft. »Es war an Oneidas erstem Schultag in der vierten Klasse. Sie kam mit aufgeplatzter Lippe nach Hause, weil irgend so ein Trottel ihr auf dem Schulhof ein Bein gestellt hatte. Sie weinte und klammerte sich an mich – klammerte sich an mich, Arthur, als könnte ich ihr Leben retten – und ich drückte sie, dachte aber die ganze Zeit über: Ich möchte meine Mom wiederhaben. Ich möchte meinen Dad wiederhaben . Und es tat überall weh, schlimmer als zuvor, weil ich mir bis dahin nie die Zeit genommen hatte, mir klarzumachen, dass sie nicht wieder zurückkommen werden. Also überstürzen Sie nichts. Bleiben Sie. Bleiben Sie übers Wochenende, Arthur, bleiben Sie eine Woche. Einen Monat. Bleiben Sie so lange hier, bis Sie verstanden haben, was es bedeutet, dass Amy nie mehr zurückkommt.«
Fast hätte sie ihn geküsst. Sie war ihm nah genug und hätte es gern getan – wünschte es sich so sehr, dass ihr bange wurde. Aber sie hätte nicht sagen können, ob sie behilflich oder zudringlich war, egoistisch oder verrückt, ob sie eine reine Absicht verfolgte oder eine Wahnsinnige war, die ihn manipulieren wollte. Sie wusste nicht einmal, warum sie das überhaupt zu Arthur gesagt hatte. So etwas hatte sie noch nie zu
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