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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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gleichzeitig die Gitarre zu halten. Das hatte zur Folge, dass alle mit ihren Beschäftigungen aufhörten und ihm ihre Aufmerksamkeit zollten, wie das dieser Lu Eugenes Meinung nach beabsichtigt hatte.
    »Ich habe mir überlegt«, sagte er und stimmte die Seiten. Dieser blöde Angeber, sagte sich Eugene, und die Wut, diese unkontrollierbare Raserei blähte sich in ihm auf wie ein heftiger, heißer trockener Windstoß. »Ich habe genau dasselbe gedacht, Dani: dass es zu einfach ist, einfach nur über die Beatles zu reden. Und dass es cool wäre, einen Song der Beatles zu spielen. Um es ein wenig interessanter zu machen, wisst ihr.«
    Dreyer nickte zustimmend.
    »Es kann nicht so schwer sein. Vor allem nicht die frühen Sachen, das waren ganz schlichte Akkordfolgen.« Er schlug eine G-Saite an, die auf sechzehnfache Weise verstimmt war. Der weiß ja nicht mal, was er tut. Wie könnte er auch. Die Gitarre war brandneu, kaum gespielt.
    »Ich möchte Ihnen ja nicht in die Parade fahren, Mr. Lu«, sagte Dreyer. »Aber wo bleibt der Gruppenfaktor?«
    »Oh, wir spielen alle.« Jetzt wandte Andrew Lu sich an das ganze Klassenzimmer und badete sich in der Aufmerksamkeit so begierig wie eine Hure. »Du hast doch eine Gitarre, oder, Dani?«
    Danis Augen schossen hin und her, ganz verwirrt, dass dies allgemein bekannt oder wenigstens Leuten wie Andrew Lu bekannt war. »Ja. Ich habe einen Bass.«
    »Oneida kann das Schlagzeug übernehmen.« Andrew blickte eine Sekunde lang auf sie hinab, ehe er Eugene ins Auge fasste. »Und Wendy kann das Tambourin oder so spielen.«
    Die Leute lachten. Nicht laut. Nur ein leichtes Plätschern. Eugene wusste, dass das kommen musste (meine Güte, so un lustig war es ja auch nicht), und er verübelte es den Lachern nicht. Man hatte schon oft über ihn gelacht – zugegebenermaßen noch nie, wenn die Wut in ihm hochstieg und kurz vor dem Überkochen war, aber es war nicht das Gelächter, das ihn ärgerte. Es war nicht das Gelächter, das ihn umwarf.
    Es war Oneida.
    Als das Plätschern zu einem konstanten Schwatzen abflaute, sah Eugene zu Oneida hinüber. Wie unter Schock sah sie Andrew Lu an. Dieser unterhielt sich noch immer mit Dreyer, sie diskutierten, welche Songs der Beatles am leichtesten in der Zeit einzuüben waren, die ihnen für das Projekt zur Verfügung stand, und als Dreyer sagte: »Ich freue mich darauf – tolle Idee, Mr. Lu!«, kräuselte sich Oneidas Kinn. Eine halbe Sekunde später war es bereits wieder glatt, aber Eugene nahm es wahr, und in dieser halben Sekunde wurde er, durch welche höheren Mächte und Beschützer des zukünftigen Sexlebens notgeiler Teenagerjungen auch immer, mit einem Geistesblitz göttlicher Telepathie belohnt: Die Bandidee kam von Oneida . Aus welchem Grund auch immer hatte sie Andrew Lu davon erzählt, und Andrew Lu hatte dafür die Lorbeeren eingeheimst.
    Oneida, die jetzt völlig geknickt aussah, wandte sich wieder ihrem kleinen Pultkreis zu. Und tat etwas ganz Außergewöhnliches: Sie sah Eugene direkt an, ohne zu blinzeln oder sich abzuwenden, um den Kontakt abzubrechen. Ihre Augen waren ganz klein und niedergeschlagen hinter ihren Brillengläsern. Sie war hintergangen worden, und einem Teil von ihr machte es nichts aus, dass Eugene es wusste. Ein Teil von ihr wollte sogar, dass Eugene es erfuhr. Und das erfüllte Eugene gleichzeitig mit so viel Glück und so viel Wut, dass er nicht länger stillhalten konnte. Andrew Lu, der immer noch an den Wirbeln herumfummelte, die Saiten festzurrte, wo er sie hätte lockern sollen, hob seinen Kopf. Zuckte mit den Schultern.
    »Tut mir leid, Mann, ich hab mir nichts dabei gedacht.« Er lächelte. Er hatte keine Ahnung. Wieso eigentlich nicht? Verstand er denn gar nichts von wegen gegenseitiger Achtung unter Bandmitgliedern, Achtung unter den Mitgliedern einer Geschichtsprojektgruppe? Achtung überhaupt?
    »Schon okay.« Eugene spürte, dass Oneida ihn beobachtete, und dies nahm seiner Wut die Spitze und machte sie in seinen Augen gerechter. »Ich kann spielen.« Er streckte seine Hand nach der Gitarre aus. »Nun komm schon, ich werde ihr nichts tun.«
    Eugene und Andrew Lu standen einander an den Ufern ihrer Pultinseln gegenüber . Er hält das für eine Machtprobe, überlegte Eugene und lächelte. Er denkt, er kann mich immer noch schlagen .
    Andrew hob die Gitarre über seinen Kopf, wobei der Gurt für einen Moment an einem seiner Ohren hängen blieb. »Dann zeig mir, was du draufhast«, sagte er.
    Eugene

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